Wie ich Brad Pitt entführte
erspähen. Fehlanzeige. Also musste er wohl oder übel doch aus dem Bett rausklettern. Über den neben ihm schlafenden blonden Jüngling hinweg. Wie hieß der noch mal? Hatten sie …? Egal. Um Punkt elf Uhr war Redaktionskonferenz, und da durfte er nicht fehlen. Der
Gnom
, so nannte man seinen allseits unbeliebten Chefredakteur hinter dessen Rücken, hatte Blitzi in der letzten Woche mit einer Strafzahlung gedroht, sollte er je wieder zu spät kommen.
Kurz versuchte er, sich an die letzte Nacht zu erinnern. Schwierig. Seine Haarwurzeln schmerzten. Die Lider lagen bleischwer auf seinen Augen. Doch! Jetzt fiel es ihm wieder ein: die Filmpreisverleihung. Er hatte, wie ausgemacht, noch vor Redaktionsschluss – also Mitternacht – seine Zeilen an den »Boulevard« gesimst. Irgendeinen Mist über »Vollmond und Goldregen über Köln«. Bereits recht angesäuselt formuliert. Der Text war aber sowieso egal, die Leser des »Boulevards« wollten eh nur die Prominentenfotos anglotzen und sich vorstellen, wie es wäre, wenn sie auch einmal auf so einer geilen Party eingeladen wären. Alles Lutscher! Aber Hauptsache, sie kauften jeden Morgen brav ihren »Boulevard«!
Blitzi stieg wie ein Feuerwehrmann in seine Jeans. Während er mit einer Hand den Reißverschluss hochzog, suchte die andere bereits nach dem Handy: kurz nach halb elf. Okay, je nachdem, wo sein One-Night-Stand wohnte, würde er es gerade noch rechtzeitig zur Konferenz schaffen. Noch schnell das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift »There is no us in me!« angezogen, und schon war er raus zur Tür.
Glücklicherweise wohnte der Typ in einer Einzimmerwohnung, und er hatte keinerlei Probleme, den Ausgang zu orten. Scheiße! Wo hatte er nur seinen Motorroller abgestellt? Aber er war wahrscheinlich eh noch zu blau, um zu fahren. Als er drei Treppen runtergesprintet war und durch die Haustür trat, stellte Blitzi erleichtert fest, dass er in der Palmstraße stand. Von hier aus waren es zu Fuß nur zehn Minuten zur Redaktion. Ein Hoch auf seinen Job als Lokalreporter! Keiner kannte sich besser aus in Köln als er!
Der Gnom hatte schlechte Laune. Stumm paffte er an seiner Elektrozigarette, die ihm – seit der Einführung des Rauchverbots in der Redaktion – eigentlich ständig im Mundwinkel hing. Als endlich der letzte Redakteur eingetrudelt war, sortierte er kurz den vor ihm liegenden Papierhaufen, dann legte er gewohnt brummig los.
»Hans-Jörg, was sind die Themen des Tages?«
Niemand antwortete. Blitzi saß mit geschlossenen Augen hinter einem Plastikbecher mit dampfenden schwarzen Kaffee. Er war immer erst am Schluss der Konferenz dran, wenn es um die Themen für seine Kolumne ging. Sein Nebenmann stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen. Erst da fiel ihm die ungewohnte Stille auf.
»Blitzi, der Chef hat
dich
nach den Themen des Tages gefragt«, soufflierte sein Nachbar unaufgefordert. Blitzi, der mit bürgerlichem Namen Hans-Jörg Borutta hieß, aber seit ungefähr drei Jahrzehnten nicht mehr so genannt worden war, blinzelte seinen Chef müde an.
»Was ist?«
»Herr Borutta«, die Stimme des Gnoms war jetzt so eisig, dass sich bei einigen der anwesenden Journalisten die Nackenhaare aufstellten.
»Gemäß Ihres Arbeitsvertrags sind Sie dazu verpflichtet, um Punkt elf Uhr in der Redaktionskonferenz zu sitzen, und zwar vorbereitet! Das heißt, dass Sie bereits alle einschlägigen Blätter studiert und einen genauen Überblick über die Themen des Tages haben!«
»Chef, ich mache doch nur …«, versuchte Blitzi einzuwerfen.
»Lokales?«, donnerte der Gnom. »Und das gibt Ihnen das Recht, hier so … fertig und versifft in meiner Konferenz zu erscheinen!?«
Okay, mit dem Gnom war ganz offensichtlich heute mal wieder nicht gut Kirschen essen! Aber Blitzi hatte kein schlechtes Gewissen; der gestrige Artikel war pünktlich eingereicht worden, und soweit er sich erinnern konnte, hatte er sogar die richtige Länge gehabt. Außerdem waren die wichtigsten Anwesenden alle genannt. Warum regte sich der Gnom nur so auf? Und was hatte er gegen ihn persönlich? Doch Blitzis Lippen waren versiegelt. Wenn der Gnom in dieser Laune war, sagte man besser kein Wort.
»Kein einziger richtig Prominenter war gestern in deinem beschissenen Artikel!«
Aha, daher wehte der Wind. Seitdem Berlin Köln den Rang als Medienmetropole Deutschlands abgeluchst hatte, kamen logischerweise nur noch die Stars und Sternchen auf die Kölner Verleihung des »Goldenen Doms«, die es
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