Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
erzählen? Wo bist du aufgewachsen?«
Kleine Blasen bilden sich auf der Innenseite der Gläser.
»Denkst du beim Malen an deine Kindheit?«
Ich nicke. Sie lächelt, die Inseln bewegen sich.
»Im Radio reicht es leider nicht, zu nicken.«
Ich nicke.
»Du magst keine Interviews, stimmts?«
Sie schaltet das Aufnahmegerät aus, lehnt sich zurück, zündet sich eine Zigarette an und formt einen perfekten Rauchring. Ich habe Lust, ihn mit dem Finger aufzufangen.
»Wenn ich deine Bilder ansehe, weiß ich, warum ich mit dem Malen aufgehört habe. Ich bin auf die Kunstakademie gegangen und war sehr stolz, dass sie mich aufgenommen hatten. Ich wollte unbedingt Malerin werden.«
Wir trinken Bier, und sie erzählt von sich selbst. Sie ist achtundzwanzig und sagt, sie sei froh, überhaupt mit Kunst arbeiten zu können. Die meisten ihres Jahrgangs würden Windeln wechseln, entweder zu Hause oder im Altersheim.
Beim dritten Bier betritt Ulrich die Bar. Er schaut Mona fragend an, sie nickt, wir sind fertig.
Ulrichs Auto steht halb auf dem Gehweg. Er gibt mir die Schlüssel und sagt, er müsse Mona kurz etwas fragen, ich solle mich schon hineinsetzen.
Ich versuche, die Beifahrertür zu öffnen, aber sie geht nicht auf, sosehr ich auch rüttle. Ich steige auf der Fahrerseite ein und kurbele das Fenster herunter, damit die Scheibe nicht beschlägt. Auf dem Rücksitz liegen ein weißes Plüschkaninchen und eine Rolle Geschenkpapier. Ein paar Minuten später kommt Ulrich. »Willst du fahren?«
Ich schüttle den Kopf und klettere über den Schalthebel.
Wir fahren durch eine Stadt in Veränderung. Von großen monumentalen Bauwerken zu Wohnkomplexen und neuen Bürogebäuden.
»Ehrlich gesagt habe ich Mona gebeten, dich zu interviewen. Ich wollte sehen, wie es läuft.«
Ulrich wechselt die Fahrspur, rammt fast einen BMW .
»Es lief nicht so gut, oder?«
»Nein.«
»Deshalb habe ich meine Pläne geändert. Die Journalisten sollen auch raten dürfen. Du wirst ein Mysterium. Nicht einmal ein Bild von dir wird im Katalog sein. Keine Hintergrundgeschichte. Nichts. Wir verraten nur deinen Namen. Natürlich kannst du auch einen Künstlernamen wählen.«
»Peter«, sage ich.
»Gut.« Er lächelt. »Ich werde die Kataloge bei irgendeinem Türken drucken lassen. Das ist die einzige Möglichkeit, sie so schnell zu bekommen. Die machen sonst nur Speisekarten für Dönerkneipen.«
Ulrich fährt durch immer ruhigere Straßen.
»Peter Faruk.« Ulrich testet den Namen. Dann zieht er eine Rolle Klebeband aus der Tasche und fragt: »Kannst du mir einen Gefallen tun und das Kaninchen einpacken?«
Wir fahren durch eine Allee mit hohen Bäumen. Der Wohnblock, vor dem wir parken, ist das einzige Betongebäude in der Straße, seine vier Etagen überragen die umliegenden Villen.
Eine Frau im Morgenmantel öffnet die Tür, ihre Augen sind schwer vor Schlafmangel, ihr Haar ist ungekämmt.
»Du hast einen Schlüssel«, sagt sie, noch ehe sie mich im Treppenhaus erblickt. Sie zwingt ein Lächeln hervor.
Wir folgen ihr in eine schmale Küche. An einem Klapptisch sitzt ein kleines Mädchen auf einem Kinderstuhl. Vor ihm steht eine Schale Brei, in der ein Pu-der-Bär-Löffel steckt.
Das Mädchen streckt die Arme nach Ulrich aus, er legt das Geschenk auf den Tisch. Die Kleine zerrt an dem Papier, bis ihre Mutter hilft. Sie umarmt das Kaninchen und kleckert Brei auf das weiße Acrylfell.
»Dann hast du zwei Geschenke von deinem lieben Papa bekommen, mein Schatz.«
Die Mutter drückt mir den Löffel in die Hand und fragt, ob ich nicht übernehmen wolle. Sie gehen ins Nebenzimmer. Sie schließt die Tür, aber sie ist so dünn, dass wir alles hören.
»Hast du den Jungen mitgebracht, damit ich dich nicht anschreie?«
»Ja.«
»Ich schreie dich nicht an.«
»Ich wünschte fast, du würdest schreien.«
Ich tauche den Löffel in den Brei, die Kleine öffnet den Mund.
»Du hast ihr schon ein Geschenk von mir gegeben?«, höre ich Ulrich sagen.
»Natürlich, was hätte ich denn sagen sollen? Sie ist erst anderthalb Jahre.«
»Das freut mich.«
»Der Teddy, den du ihr geschenkt hast …«
»Kaninchen.«
»Es hat Glasaugen.«
»Und?«
»Kinder unter drei dürfen nicht mit Stofftieren spielen, die Glasaugen haben. Sie können sie verschlucken.«
Es wird still, ich füttere weiter. Sie hat dicke Backen, lächelt mich an. Ich wische ihr den Mund ab, auf der Serviette ist ein Bild von Pus Freund Tigger.
»Brauchst du Geld?«, fragt ihre
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