Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Schuhe sind verschmutzt.
Der Schmerz hämmert unter der Schädeldecke und färbt das Zimmer orange. Erst nach mehreren Versuchen komme ich auf die Beine. Auf dem Tisch am Fenster liegen ein Päckchen Pillen und ein Zettel.
Nimm zwei, steht dort. Nicht mehr, sonst könntest du sterben. Die Pillen sind aus Holland, verschrieben auf einen Namen, den ich nie gehört habe.
Ich gehe auf die Toilette und schlucke drei Stück mit Wasser aus dem Hahn. Dann lege ich mich wieder ins Bett, schließe die Augen und will schlafen, aber ich kann nicht. Die Pillen zeigen Wirkung, der Schmerz verschwindet, und mit ihm jedes Gefühl in den Beinen.
Ich liege auf dem Rücken und muss mich daran erinnern zu atmen. Draußen wird es dunkel.
Ich ziehe mich an, setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Der Abstand zwischen Kopf und Beinen scheint unendlich weit.
Ohne ein Wort zu reden, finde ich das richtige Postregal. Kasper steht hinter mir und singt leise zur Musik in seinem Kopfhörer. Ich stütze mich auf das kalte Metall des Regals, habe Angst, in Ohnmacht zu fallen.
»Du hast mich abgefüllt«, sage ich.
Kasper nimmt den Kopfhörer ab.
»Und wie ich dich abgefüllt habe.«
»Aber danke für die Pillen.«
»Keine Ursache.«
»Ramones?« Er bietet mir den Kopfhörer an. Ich stöhne, wende mich meinem Regal zu und hoffe, dass Hände und Augen von selbst die Arbeit übernehmen und das Hämmern im Kopf aufhört.
Auf der Eisentreppe falle ich fast nach hinten um, aber dann spüre ich Kaspers Hand im Rücken.
»Ich konnte ja nicht ahnen, wie du dich aufführst, wenn du besoffen bist«, sagt er und schenkt mir Kaffee ein.
»Die ganze Bar wurde still, als du laut gelallt hast. Irgendwas von einem kleinen Jungen, der Angst vor der Mitte der Leinwand hat.«
Bruchstücke von gestern kommen mir in den Sinn. Ich schüttete mir selbst Bier über, rief: »Mutig? Der ist verdammt noch mal kein bisschen mutig!« Gemeint war der Maler, der die Ausstellung in der Galerie hat.
»Und mit den Armen gefuchtelt hast du, und auf alles Mögliche gezeigt.«
Ich puste in die Tasse und zwinge den Kaffee hinunter, bevor die Pause zu Ende ist.
Dann stehen wir wieder vor unseren Regalen, und die Briefe rollen an.
»Warum haben sie mich nicht rausgeworfen?«
»Haben sie doch am Ende. Aber ich glaube, sie mochten dich.«
»Mochten mich?«
»Ja, du warst unterhaltsam. Der Aufschrei eines verrückten Künstlers. Irgendwann wurde es zu viel, aber du hast deinen Teil gesagt.«
Ich setze den Kopfhörer auf und drehe die Lautstärke hoch.
Nach ein paar Hundert Briefen gehe ich auf die Toilette. Versuche zu kotzen, aber es kommt nichts. Ich trinke Wasser aus dem Hahn und kehre zurück an meinen Arbeitsplatz.
Der Abteilungsleiter kommt vorbei. »Bist du krank?«, fragt er.
Kasper hält die Hand vor den Mund und kippt eine imaginäre Flasche, der Abteilungsleiter lacht und geht weiter.
»Du hattest überhaupt keinen Geburtstag gestern«, sage ich zu Kasper.
»Ich? Nein, natürlich hatte ich keinen Geburtstag.«
»Arschloch.«
»Wenn ich dir gesagt hätte, dass du einen Typen treffen sollst, mit dem ich zur Schule gegangen bin und der eine Galerie besitzt, was hättest du dann geantwortet? Hättest du Ja gesagt?«
»Nein.«
»Du nuschelst. Hier wird kein Türkisch geredet.«
Ich setze den Kopfhörer auf. Will nichts mehr hören. Gelbe Kisten. Briefe. Ratternde Rollbänder.
»Vergisst du auch nicht, was du ihm versprochen hast?«
Ich antworte nicht, starre stur auf die Briefe.
»Du hast es ihm versprochen. Nein, du hast es vor allen herausgeschrien, dass du deine Bilder in die Galerie bringen wirst.«
»Ich erinnere mich an nichts.«
»Weil du tausend Mal besser als alle anderen seist.«
»Du hast mich abgefüllt.«
»Wenn du es nicht tust, hole ich sie selbst aus dem Keller.«
Ich starre weiter auf die Briefe, Frederiksberg 2000, Helsingør 3000, Kopenhagen NV 2400.
»Was sagst du?«
Brønshøj 2700, Odense 5000.
»Wie bitte?«
Obwohl wir mit dem Rücken zueinander sitzen, kann ich sehen, dass er lächelt.
D ie Bilder lehnen an Pappkartons im Keller. Es sind viel mehr, als ich dachte. Kasper muss sie versteckt haben.
»Das hier ist echt gut«, sagt er und hält ein Bild in die Höhe. »Wir sollten sie mit nach draußen nehmen und im Tageslicht betrachten.«
»Du sollst nur zwei aussuchen.« An die meisten Bilder kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich sehe, wie meine Ideen Hand und Fuß bekommen haben.
»Was meinst du?«,
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