Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
suche in den Schubladen, finde Pappteller und Plastikbesteck in großen Packungen. Im letzten Schrank stehen sechs Partybecher, eingeschweißt in Plastik.
Ich warte im Flur auf Kasper, weitere Kleider und Bücher fliegen auf den Boden, als er in der nächsten Kiste wühlt. Dann kommt er mit einer Flasche in der Hand heraus.
»Die hier habe ich bei meinem Vater geklaut, als ich ihn das letzte Mal besucht habe. Seit Jahren warte ich auf den richtigen Anlass. Heute muss es sein.«
Der Inhalt der Flasche ist braun.
»Whisky?«
»Mehr als das.«
Er zeigt auf das Etikett, auf dem 1972 steht.
»Single Malt. Aber davon habt ihr Türken ja keine Ahnung.«
Wir gehen beim Bäcker vorbei und kaufen eine Erdbeer-Sahne-Torte. Am Kiosk nebenan kaufen wir Batterien für das Radio.
Karlsson empfängt uns auf dem Dach, er trägt ein kariertes Hemd und einen breiten Schlips mit bräunlichem Muster.
»Ein Windsorknoten für das Geburtstagskind«, sagt er und hält den Schlips hoch.
Karlsson hat den Klapptisch ins Freie gestellt, eine schwarze Mülltüte aufgeschnitten und als Tischdecke darübergebreitet.
Zuerst stellen sie den Alkohol auf den Tisch. Zwei Flaschen Kirschwein von Karlsson, ein halber Kasten Bier vom letzten Einkauf mit dem Kastentrick, Whisky und Schnaps. Der Kuchen wird im Schatten deponiert.
»Man soll immer mit dem Besten anfangen«, sagt Kasper und zieht den Korken aus der Whiskyflasche. Er nimmt die Becher aus der Packung und füllt sie bis zum Rand.
»Prost. Auf mich. Auf uns. Ich hoffe, mein Vater hat bemerkt, dass die Flasche fehlt. Ich hoffe, dass er sich die Haare gerauft und geheult hat. Prost!«
Der Whisky schmeckt nach Tang und Rauch. Kasper leert seinen in zwei Schlucken. Ich versuche mitzuhalten, Tränen steigen mir in die Augen.
»Wie alt wirst du?«, frage ich, als ich wieder reden kann.
»Das spielt keine Rolle.« Er füllt meinen Becher auf.
Karlsson nippt an dem Whisky, aber nach ein paar Schlucken will er lieber Kirschwein.
Wir essen die Torte von Papptellern, schaufeln sie in den Mund, lachen und bekleckern Nase, Kinn und Kleidung mit Sahne.
Die Sonne geht unter, und wir setzen uns in die Hütte. Karlsson zündet Kerzen an.
»Zum Teufel«, sagt Kasper. »Ich habe Geburtstag. Trink jetzt.«
Er öffnet eine Flasche Schnaps und schenkt mir ein. Ich trinke einen Schluck Bier, um das Feuer im Hals zu löschen.
»Mann, beinahe hätte ich die Musik vergessen.«
Kasper reißt das Päckchen Batterien mit den Zähnen auf und steckt sie in das Radio. Dann dreht er an den Knöpfen, bis er mit der Musik zufrieden ist. Ein Lokalsender spielt zerkratzte Bluesplatten von Howlin’ Wolf und Memphis Slim. »Du siehst durstig aus«, sagt Kasper und füllt meinen Becher aufs Neue.
Der Wind rüttelt an dem kleinen Holzschuppen, Kasper hört nicht auf, mir nachzuschenken. Ich schlafe schon fast ein, als mich ein paar Hände am Kragen packen. Kasper hievt mich auf die Beine, und wir gehen über das Dach. Karlsson winkt zum Abschied. Ich kann nicht mehr gerade gehen, falle fast in den Abgrund. Auch auf der Treppe stolpere ich mehrmals.
Kasper kapert ein Taxi.
»Ich bin ziemlich voll«, sage ich und klammere mich an der Tür fest.
»Klar bist du voll.«
»Fahren wir heim?«
»Nein.«
»Wohin fahren wir?«
»Das bestimmt das Geburtstagskind.«
Eine Autohupe weckt mich, ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe. Wir fahren über den Rathausplatz und über eine der Brücken. Der Taxifahrer hält vor einer Bar. Kasper stützt mich, als wir hineingehen. Er setzt mich auf einen Barhocker und bestellt für uns. Hinter der Theke hängt ein Spiegel mit einem Bild des Eiffelturms. Kasper redet mit mir, ich verstehe nur einzelne Wörter.
Der Barkeeper serviert uns zwei Bier und zwei Magenbitter.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mehr trinken könnte, aber der Alkohol belebt mich sogar.
Ein Mann kommt auf uns zu. Ich habe das Gefühl, dass ich ihn schon einmal gesehen habe.
»Da bist du ja endlich«, sagt er zu Kasper.
Sie umarmen einander.
»Verdammt lang her. Bist du immer noch bei der Post?«
Kasper nickt, und sie stoßen miteinander an. Ich will mitmachen, aber ihre Gläser sind zu weit weg. Plötzlich erkenne ich den Mann wieder. Die zerzausten Haare, das dünne Lederband um den Hals. Ich weiß, wie betrunken ich bin, aber kein Zweifel, es ist der Mann aus der Galerie.
D as Licht scheint ins Zimmer. Ich habe in voller Montur geschlafen. Mein Mund schmeckt nach Erbrochenem, meine
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