Wie kommt das Salz ins Meer
voll, und meistens muß Mutter dann zu Hause die Putzfrau fortschicken, weil sie das, was sie kaufen wollte, vergessen hat, und gegen den Delikatessenhändler darf sie nicht aufmucken, er ist doch Privatpatient, und sogar das Wildbret muß sie dort manchmal kaufen, obwohl Vater sein Rehfleisch selbst schießt und zum Teil aus der Wildbrethandlung geschenkt bekommt, weil die Kusine der Frau des Delikatessenhändlers mit dem Delikatessenhändler verfeindet ist, und sie macht das mit Absicht, daß sie uns Wildbret schenkt, damit er seines nicht los wird. Man müßte die Familien viel mehr gegeneinander ausspielen, hat Rolfs Mutter gesagt, aber meine Mutter merkt nicht, daß etwas gespielt wird. Sie wundert sich nur, daß sie immer so vollbeladen nach Hause kommt, wenn ihr die Milch ausgegangen ist.
Und welches Waschpulver? Muß ich heute Maresi kaufen, weil es auf der schwarzen Tafel unter «Ankündigungen» mit Kreide aufgeschrieben steht? Heute ist Maresi billiger, nur bis morgen. Ich verstehe jetzt den Sinn der Werbung. Es gibt ja so viele Angebote, und man muß sich frei entscheiden können. Das ist eine Wissenschaft. Der Salat ist auch nicht immer gleich teuer, und es gibt Saison für Paprika und Zeiten, zu denen man Paprika nicht kauft. Ich wußte so wenig. Zum Beispiel wußte ich nicht, daß man das Holzbrett mit Wasser abspült, bevor man die Zwiebeln schneidet. Großmutter sagte es mir: Damit kein Geruch im Holz bleibt. Von Thymian, Rosmarin, Zimt, Majoran, Nelken immer nur eine Spur, man darf nichts herausschmecken, den Knoblauch mit dem Messerrücken zerdrücken, immer mit Salz, und vorher natürlich schälen, und ein breites Messer für den Knoblauch, und die Zitronen nicht wegwerfen nach dem Auspressen, Zitronen immer in Reichweite für schmutzige Hände. Der Hausfrauenhand darf man es nicht ansehen, daß sie gearbeitet hat. Petersilie in ein Wasserglas stecken, sparen lernen, und keine Konserven, sagt Großmutter, das ist alles Gift, immer Natur, Schmierseife ist die beste Seife, hartes Brot aufbewahren für Brösel, in Säckchen geben, ordentlich beschriften. Am Abend gehe ich mit dem Kochbuch schlafen, das sie mir geschenkt hat. Es ist eine gutbürgerliche Sammlung von Kochrezepten der staatlichen Bildungsanstalt für Koch- und Haushaltsschullehrerinnen und der Kochschule für Gastwirte in Wien. Ein unentbehrliches Hilfs- und Nachschlagebuch für Leitungen und Hilfskräfte häuslicher und gewerblicher Klein- und Großküchenbetriebe, steht auf dem vergilbten Innenblatt.
Zu Mittag herrschte immer Nervosität, die aus der Stimme und den Gesten meiner Mutter spürbar wurde, wenn Vater sich an den Tisch gesetzt hatte. Mutter nahm die Fleischstücke aus der Pfanne. Ich reichte ihr Vaters Teller. Gemurmel. Kleiner Ärger. Zweifel, Zögern. Dieses Stück für Vater? Nein, für Vater das magere. Er mag kein Fett. Wer sagt, daß ich kein Fett mag? Warum gibt es keine Suppe? Also, sagte Mutter, wenn ich zu diesem Fleisch eine Suppe mache, dann fragst du, warum ich eine Suppe gemacht habe. Und wenn es keine gibt, dann fragst du, warum ich keine Suppe gemacht habe! Ein Löffel Suppe wäre nicht schlecht, sagte Vater dann bescheiden, und Mutter fühlte sich schuldig. Immer schwebte ein Damoklesschwert über ihr, und so war es an allen Mittagen, und Resignation, wenn Vater nicht aufaß, Ratlosigkeit und Verzweiflung, wenn er wortlos den Teller zurückschob und erklärte, er sei nicht hungrig. Aber an Mittagen, wenn Vater gut gelaunt war, gab es das gleiche mit witzigen Zwischenbemerkungen. Das Segelflugzeug! Mutter verteidigte sich zuerst. Sie könne nichts dafür, die Gans sei zu mager gewesen. Auch zu alt. Du hast sie eben zu lange im Rohr gelassen und zu wenig aufgegossen. Also los, essen wir. Mutter zerkleinerte die trockenen Stücke, es fiel immer wieder das Wort Segelflugzeug, und als Mutter merkte, daß Vater ihr schon längst verziehen hatte, lachte sie mit, und wir tranken Wein, und andere Späße gab es noch: Ist das eine Ente? Nein, eine Gans. Segelflugzeug? Wenn ihm danach zumute war, konnte Vater viel Glück in Mutters Gesicht zaubern.
Gib doch dieses Buch weg, sagt Rolf, Kochen lernt man nicht aus Büchern, nur durch Erfahrung. Blätterteig ist seine Lieblingsspeise. Zwiebelsuppe ist die einzige Suppe, die ich tatsächlich kochen kann. Er mag Zwiebelsuppe nicht. Und es ist noch nichts geschehen heute. Ich habe gewartet. Nach dem Abendessen war wirklich der Tag zu Ende. Ich habe das Geschirr in
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