Wie kommt das Salz ins Meer
wechselt fünfhundert Schilling. Wenn die fünfhundert verbraucht sind, hören wir auf, ausgemacht? Ausgemacht. Obwohl. Aber Rolf kennt die Geschichte von meinem anderen Großvater, über den nie gesprochen wird, weil er einige Häuser verspielt hat. Wir gehen spielen. Zum erstenmal, seit der Heirat, wir. Unsere Pässe werden geprüft, niemand merkt uns an, daß wir nur zum Vergnügen hier sind, wir müssen unterschreiben, daß wir keine Kasino-Angestellten sind und für alle Zeiten darauf verzichten, jemals in diesem Kasino zu arbeiten. Die Croupiers haben schöne Gesichter. Vielleicht ist jedes Gesicht schön, wenn es ernst ist?
Rolf führt mich von Tisch zu Tisch. Im Park sind Hunde ja auch an der Leine zu führen. Rolf erklärt Rot und Schwarz, Gerade und Ungerade, das ist kinderleicht, er erklärt das Außergewöhnliche an Zero, da möchte ich auf Zero setzen, aber Rolf sagt, Zero hat keinen Sinn, man setzt überhaupt nicht auf Zahl, wenn man so wenig Geld hat wie wir, da kommt Zero, ich habe es ja gewußt, ich bin gar nicht überrascht, und jetzt natürlich die Siebzehn, ich weiß, daß die Siebzehn kommt, sie ist auffällig unter allen Zahlen, ich weiß, daß jetzt die Siebzehn kommt! Rolf möchte nicht schon wieder Streit haben, ich auch nicht, also setze ich nicht. Die Siebzehn kommt. Hut ab vor dem Spieler! Was hat einer wie Rolf hier verloren, der von einem Tisch zum andern geht und immer auf Nummer Sicher? Was er hier einsetzt, bekommt er dort wieder zurück. Ich hasse ihn. Er findet mich undankbar, und wir schleichen hinaus, man muß sich ja schämen, mit so jemandem wie Rolf unter lauter richtigen Spielern.
Zurück über Genua, Mailand. Es gibt kein Milano. In Florenz hätte ich mich verstecken sollen, wenn es mir nur rechtzeitig eingefallen wäre. Michelangelo hat von Brot, Wein und Käse gelebt. Das war vor der Erfindung der Vitamine. Im Gebirge weiden Lämmer, über Felsen flitzen Eidechsen, man sieht ihr schillerndes Grün.
Beruf: Hausfrau, steht in meinem neuen Paß. Schnecke hätten sie besser geschrieben. Schnecke. Haare: gefärbt. Augen: braun. Besondere Kennzeichen: Keine, steht im Paß. Und ob. Man sieht sie nur nicht auf den ersten Blick. Besondere Kennzeichen: schlampig, ungerecht, undankbar, untüchtig, unrealistisch, unfroh, unzufrieden, faul, frech. Tisch decken, Tisch abräumen, Geschirr spülen, einkaufen, kochen, Tisch decken, Tisch abräumen. Geschirr spülen. Was koche ich zum Abendessen, dreihundertfünfundsechzigmal im Jahr die Frage: Was koche ich zum Abendessen? Sein oder Nichtsein, ob’s edler im Gemüt, was kosten jetzt die Tomaten? Das mußt du doch wissen, ob jetzt Tomatenzeit ist oder nicht. Natürlich haben wir Geld, aber gerade wer Geld hat, muß wirtschaften lernen, es fällt dir kein Stein aus der Krone, wenn du dich ein bißchen dafür interessierst, geh auf den Markt, vergleich die Preise und Angebote, du sagst ja selbst, daß du dich langweilst, ruf Hilde an, sie soll dich beraten, Hilde wäre eine Freundin für dich, befreunde dich mit den Frauen meiner Freunde! Er hat recht, er bringt das Geld, weiß, was die Israelis mit den Arabern falsch machen, weiß, warum die Streiks in England andauern, weiß, was er zu tun hat und was ich daher zu tun habe, dafür bin ich wieder frigid, Gerechtigkeit muß sein.
Der Gemüsehändler verbeugt sich. Frau Diplomingenieur, bitte, danke, Frau Doktor, küß die Hände, auf Wiedersehen! Darf ich der Gnäfrau die Tür aufhalten? Ich bin nicht ich. Ich bin Rolfs Frau. Früher hat mir keiner die Türen aufgehalten. Früher kaufte ich auch kein Gemüse. Meiner Mutter halten sie auch überall die Türen auf. Großmutter sagt, das ist so, wenn man die Gattin von einer Kapazität ist. Der Delikatessenhändler und seine Frau empfangen meine Mutter immer mit besonderer Liebenswürdigkeit. Sie ist so zerstreut. Will Milch kaufen, und der Delikatessenhändler steht an der Kassa, auf der er sich so oft verrechnet, schluckt gleich, wenn er sagt, was alles wieder frisch gekommen ist für den Herrn Gemahl, die Kapern, ganz groß, die spanischen Muscheln, in ganz feiner Sauce, und meine Mutter nimmt alles mit, weil die Frau des Delikatessenhändlers schon den Gitterkorb anzufüllen beginnt, alles für den Herrn Medizinalrat, der so ein Feinschmecker ist, und Mutter nimmt die frischen Bananen und das Bündnerfleisch und alles, was ganz frisch gekommen ist, mit nach Hause, und der Delikatessenhändler tippt wollüstig den Kassastreifen
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