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Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Schwaiger
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haben, mir fehlt etwas ganz Wichtiges, das, was die anderen so schnell macht und so fleißig. Der Ehrgeiz? Aber ich wollte doch auch einmal etwas tun. Ich war lernbegierig, und irgendwann im Gymnasium hat das aufgehört, irgendwann ist der Motor herausgefallen, und ich habe nicht mehr zugehört, wenn der Lateinprofessor etwas erklärt hat, ich habe nur mehr so gestaunt über die Ruinen, die er im Mund sitzen hat, und ob seine Frau das aushält, wenn er sie küßt, ob ihr da nicht graust vor soviel Speichel und Geruch, und dann bin ich zum erstenmal sitzengeblieben. Nicht äußerlich. Ich habe die Matura irgendwie erschwindelt, es kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, daß ich plötzlich wie alle anderen das schwarze Kleid und den schwarzen Zylinder trug und auf dem Leiterwagen durch die Stadt fuhr als Maturantin unter den Maturanten des damaligen Jahrgangs. Ich war innerlich sitzengeblieben. Und Rolf hat den Teig genommen und so lange geknetet, bis er mürb war. Ab in den Ofen, überbacken, und auf einmal ist es ernst mit der Hochzeit und mit dem Ernst des wirklichen Lebens.
     
    Du mußt lernen, sagt Gerlinde, wir waren in einem ungültigen Jahrgang, wir haben alle keine Matura, wir müssen noch einmal die Schularbeiten machen und die Prüfungen, aber ich habe doch alles vergessen, du mußt es noch einmal lernen, sagt Gerlinde, ich hab dir doch so viele Privatstunden gegeben! Bist du wirklich so dumm gewesen oder hast du dich so gestellt, du mußt die Matura doch machen, was sagen denn deine Eltern, wenn du heimkommst ohne Matura, und ich habe doch alles vergessen, aber Gerlinde steht neben mir, sie ist eine Streberin, sie hat alles im Heft und im Kopf auch. Dann sind wir in einer Jugendherberge, Gerlinde muß zum Arzt gehen, ihr ist nicht gut, sie kommt zurück und sagt, jemand hat versucht, ihr Essen zu vergiften, ich komme als Täterin in Frage, mein Verteidiger ist der Lateinprofessor, er hört sich an, was ich vorbringe, ich sage, daß ich Gerlinde nicht mag, obwohl sie meine beste Freundin und Helferin in Latein ist, aber ich wünsche ihr den Tod. Ich sage, ich wäre froh, wenn sie vergiftet worden wäre, trotzdem war nicht ich es, die das Gift ins Essen gestreut hat, ich schwöre es, und der Lateinprofessor verhält sich neutral, er sagt, auf den Stoff kommt es an, und ich sage, ich habe keine Angst, verurteilt zu werden, weil ich mich freue, daß jemand den Mut gehabt hat, Gerlinde zu vergiften. Aber wenn Gerlinde stirbt, stirbt doch auch Rolf, weißt du das nicht, sagt jemand, und dann wache ich auf, und Rolf lag nach solchen Träumen neben mir, und es war ein Glück, daß er noch atmete und ich mich an ihm festhalten konnte, und Gerlinde studiert irgendwo Latein und Deutsch, sie wird bald selbst unterrichten, meine Kinder werden es gut bei ihr haben, wir waren ja immer so gut befreundet.
     
     
    asdf jklö asdf jklö, das werde ich üben mit dem kleinen Finger und dem Ringfinger und dem Zeigefinger und auch dem Mittelfinger, der so ungeschickt ist, weil er zu lang ist, aber Rolf hat bald Geburtstag, und dann überrasche ich ihn damit, daß ich mit der Schreibmaschine umgehen kann.
    Ich übe auf Großvaters Maschine, in Großmutters Küche, da sind wir ungestört, hier hat Großvater seinen Apfel mit dem Taschenmesser zerschnitten, Schwarzbrot und Apfel zur Jause. Großmutter sagt, daß der Großvater blind schreiben konnte, sie hat das selbst überprüft und ihm die Namen der Gassen diktiert und ihm die Augen zugehalten, und am Anfang hat sie geglaubt, er schwindelt, aber dann hat er ihr gezeigt, daß es so leicht ist wie das Klavierspielen, und das konnte sie nicht überzeugen, denn sie konnte sich ja auch das Klavierspielen nie richtig erklären. Er war ein seltsamer Mensch. Im Hof hatte er eine Kiste mit einer Tomatenplantage, und er goß jeden Tag, nicht zuviel und nicht zuwenig, und über Mittag saß er gern draußen, um zu sehen, wie sie wuchsen, und eines Tages fand er die Staude leer. Es waren ja nur zwei, sagt Großmutter, und schließlich sind Tomaten zum Essen da. Der Großvater war böse, weil er etwas anderes hineingelegt hatte in die Paradeiser, man sagt nicht Tomaten, sondern Paradeiser, schrie der Großvater, denn das war zu der Zeit, wo viele Leute in der Stadt anfingen, Kartoffeln zu sagen statt Erdäpfel, und die Großmutter versteht bis heute nicht, warum er die Tomaten gezüchtet hat, wenn sie sie nicht essen durfte. Da steht noch der Koksofen, und überm Eßtisch hängt ein

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