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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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anzufangen. Dann kennt der Leser die Figur bereits und empfindet Sympathie für sie, und Sie können nun die Veränderung der Ausgangssituation, die den Anfang der Geschichte markiert, dramatisch gestalten.

    EPISODE UND FIGUR: WIE DAS EINE AUS DEM
    ANDEREN ENTSTEHT

    Aristoteles sagt in seiner Poetik, daß die Dauer eines Dramas so bemessen sein sollte, daß für den Helden »angemessener- oder notwendigerweise im Ablauf der Handlung der Umschlag erfolgt von Glück zu Unglück oder von Unglück zu Glück.« Dreiundzwanzig Jahrhunderte später sagt Egri das gleiche, wenn er fordert, daß eine Figur »von einem Pol zum anderen wachsen« solle. Ein Feigling wird mutig, ein Geliebter wird zum Feind, ein Heiliger ein Sünder - das bedeutet Wachstum von einem Pol zum anderen.
        Wenn Sie Ihren Roman planen, müssen Sie nicht nur die einzelnen Episoden entwerfen, sondern auch die Entwicklungsphasen Ihrer Figuren (oder, wie Egri und andere das nennen, ihren »Wachstum«). Damit Sie den Konflikt langsam steigern können, muß sich die Figur entwickeln, sie muß sich stufenweise verändern, durch allmähliches Wachsen von Pol zu Pol. Dies kann in der Planungsphase des Romans durch Verwendung eines Stufendiagramms erarbeitet werden.

        Ein Stufendiagramm ist ein detaillierte Aufstellung der Episoden einer Geschichte. Die Verwendung eines solchen Stufendiagramms ermöglicht es dem Autor, den Überblick über seine Geschichte zu behalten. Stellen Sie ihn sich als eine Art Blaupause vor. Ich rate Ihnen dringend, so etwas zu machen. Hier ist ein Beispiel, wie ein Stufendiagramm, das die einzelnen Stufen (Episoden) einer Geschichte beschreibt, aussehen könnte:

        A. Scrooge - ein »erpresserischer, blutsaugerischer, schäbiger Filz, ein raffgierig zupackender alter Sünder war er! Hart und scharf wie ein Kiesel« (in den Worten von Dickens) - ist Geschäftsmann in London. Wir befinden uns im neunzehnten Jahrhundert. Das Leben ist trostlos. Scrooge hat keine Freunde, er ist allein, und das ist ihm ganz recht. Sein Geschäftspartner Marley ist seit sieben Jahren tot. Es ist Heiligabend und Scrooge erhält Besuch von seinem Neffen, der gekommen ist, um ihm fröhliche Weihnachten zu wünschen. Scrooge, der sich über die Unterbrechung bei seiner Arbeit ärgert, schickt ihn mit einem »Pah, Humbug!« fort.

        B. Zwei Herren kommen, um Geld für die Armen zu sammeln. Scrooge fragt sie, ob die Arbeitshäuser noch bestehen. Als sie ihm dies bestätigen sagt er, das sei gut so, und schmeißt sie raus. Danach hat Scrooge, wie Dickens sagt, »eine gehobene Meinung von sich selbst« und ist »in besserer Laune als gewöhnlich«.

    C. Dann sagt Scrooge zu seinem Schreiber Bob Cratchit, daß er den Weihnachtstag frei haben kann, wenn er »übermorgen um so zeitiger« da ist. Grollend zieht Scrooge ab und nimmt sein »melancholisches« Mahl in dem gewohnten »melancholischen« Wirtshaus ein, dann geht er nach Hause in seine »düstere Zimmerreihe«.
        Diese ersten drei Ereignisse haben innerhalb der Ausgangssituation stattgefunden. Sie haben lediglich den Schauplatz vorbereitet; der zentrale Konflikt zwischen Scrooge und den Geistern hat noch nicht begonnen. Wir haben hier ein Porträt von Scrooge, so wie er wahrscheinlich seit Jahren tagtäglich war. Mit anderen Worten, der Leser wird in die Ausgangssituation eingeführt, und dann setzt der zentrale Konflikt ein:

        D. Es geschieht das erste unheimliche Ereignis: als Scrooge nach Hause kommt, sieht er auf dem Türklopfer der Haustür das Gesicht von Marley. Er tut das Ganze als Wahnvorstellung ab und geht auf sein Zimmer. »Humbug!« sagt er. Die Geschichte hat angefangen.

        E. Nun tritt Marleys Geist mit großem Kettengerassel auf. »Immer noch Humbug«, sagt Scrooge. »Ich kann’s nicht glauben.« Doch der Geist spricht, und Scrooge glaubt ihm schließlich. Der Geist erklärt ihm, daß er von drei weiteren Geistern heimgesucht werden wird. »Ich - ich glaube das nicht«, sagt Scrooge.

        Die Ereignisse bis zu diesem Punkt in der Geschichte haben ihn verändert. Er ist »gewachsen«, er ist nicht länger in der Lage, die Erscheinung als »Humbug« abzutun, sondern er hat Angst. »Könnten nicht alle auf einmal kommen, damit es vorüber ist, Jakob?« fragt er den Geist. Scrooge ist gedemütigt worden.

        F. Marleys Geist verläßt ihn. Als er verschwunden ist, versucht Scrooge, »Humbug« zu sagen, aber es gelingt ihm nicht

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