Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
Geschichte im Idealfall alles relevant ist, alles zählt, immer eins zum anderen führt… und am unvermeidlichen Höhepunkt alles gelöst und zum Guten oder Bösen gewendet wird.«
Nichts wird Ihnen helfen, näher an dieses Ideal heranzukommen, als Ihre Prämisse zu kennen.
WIE SIE FÜR EINE BESTIMMTE GESCHICHTE EINE PRÄMISSE FINDEN
In The World of Fiction berichtet Bernard DeVoto von einer Miss Edith Mirrielees, die die besten Kurse in Kreativem Schreiben gegeben hat, die er je erlebt hat. Diese Frau begann die Diskussion über die Geschichte eines Studenten immer mit der Frage: »Worum geht es in dieser Geschichte?«
Das ist die wichtigste Frage, die sich Romanautoren zu ihren Geschichten stellen können. Es ist der erste Schritt auf dem Weg, die Prämisse zu finden.
Wenn Sie erst einmal wissen, worum es in Ihrer Geschichte geht, können Sie Ihr Anliegen auch formulieren, zum Beispiel: »Es liegt in der menschlichen Natur, daß bestimmte Typen von Menschen, die von bestimmten Konflikten auf die Probe gestellt werden, sich im Laufe der Ereignisse auf ganz bestimmte Weise verändern.«
Ihre Prämisse ist eine kurze Formel für das, was Ihre Geschichte aussagt. Es ist Ihre Wahrheit,
Ihre Vision. Es ist das, was Sie über die menschliche Natur und die menschlichen Verhältnisse mitteilen wollen.
Als Dozent für Kreatives Schreiben erlebe ich oft, wie junge Autoren mit Stoff für einen Roman, an dem ihnen viel liegt, in meine Kurse kommen, aber sie können einfach keine Geschichte daraus machen. Der Grund ist, sie wissen nicht, worum es in ihrer Geschichte gehen soll.
Als ich anfing zu schreiben, folgte ich einem Rat, den man Anfängern oft gibt - schreib über das, worüber du Bescheid weißt. Ich wußte, was es heißt, als Autoschadenssachverständiger zu arbeiten. Also begann ich, einen biographischen Roman mit dem Titel The Cockroach (Der Kakerlak) in die Maschine zu hämmern.
Der Held (ich) arbeitete in einem Job, den er haßte, und war von Leuten umgeben, die sich hoffnungslos in Alltäglichkeiten verzettelten. Er hatte den Drang, sich künstlerisch zu betätigen. Er begann, sich gewerkschaftlich zu organisieren, konsultierte Spiritisten, ging zu einem Eheberater. Der Typ war ein Chaot. Er machte immer wieder dieselben Fehler, lebte in den Tag hinein, betrank sich, fuhr sein Auto zu Schrott, wurde gefeuert, bekam einen neuen Job, hatte eine Affäre -kurz gesagt, er ließ sich treiben wie eine Feder im Wind.
Mein Mentor fragte mich immer wieder, worum es denn in dieser Geschichte gehe. Was die Prämisse wäre. Und ich starrte ihn immer wieder fassungslos an und murmelte, daß es um das Leben eines Schadenssachverständigen ginge.
Meine Geschichte hätte von einigen Aspekten des menschlichen Lebens handeln sollen, nicht von allen. Alle Aspekte des menschlichen Lebens ist ein zu weites Thema. In der Literatur legen wir ein oder zwei Aspekte des Lebens unters Mikroskop, unterziehen sie einem Experiment namens Konflikt und zeigen dann auf, was passiert. Eine gute, spannende Geschichte ist sozusagen ein Labor der menschlichen Natur. Sie sagt etwas über einen Aspekt des menschlichen Lebens, der dem Autor sehr wichtig ist. Wenn Sie einen verdammt guten Roman schreiben wollen, müssen Sie zutiefst davon überzeugt sein, daß das, was Sie über die menschliche Natur, über menschliche Werte und die menschliche Existenz sagen, unter den in Ihrer Geschichte gegebenen Umständen wahr ist.
Sie haben vielleicht nicht das Glück, das ich gehabt habe. Sie finden vielleicht keinen so guten Mentor, wie ich ihn hatte. Dann müssen Sie für sich selbst das tun, was mein Mentor für mich getan hat. Fragen Sie sich jedesmal, wenn Sie sich hinsetzen und schreiben, worum es in der Geschichte geht.
Nehmen wir mal an, es ist eine Liebesgeschichte. Die einzige Liebe, über die sich zu schreiben lohnt, ist eine starke Liebe, egal ob es sich um die Liebe zwischen Eltern und Kindern handelt, um brüderliche Liebe, romantische, erotische, krankhafte oder was auch immer. Die Antwort auf die Frage, um was es in der Geschichte geht, gibt Ihnen den ersten Teil Ihrer Prämisse. Was mit der Figur als Folge davon passiert, ergibt den zweiten Teil. In einer Geschichte über krankhafte Liebe könnte diese Liebe der Freundin des Protagonisten zu er-
drückend werden. Schließlich verliert der Protagonist die Frau und bringt sich um. Also lautet die Prämisse der Geschichte: Krankhafte Liebe führt zum Selbstmord.
Sobald Sie die
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