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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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Prämisse haben, wissen Sie alles. Sie wissen beispielsweise, daß der Konflikt mit der Großmutter des Protagonisten nichts mit seiner krankhaften Liebe zu tun hat und deshalb auch nicht zum Selbstmord beiträgt. Sie wissen auch, daß die Einsamkeit, die zu der krankhaften Liebe führt, sehr wohl in die Geschichte gehört. Sie wissen jetzt, in welche Richtung Sie gehen.
    Das mit dem Selbstmord am Ende gefällt Ihnen nicht? Wie wäre es damit: Krankhafte Liebe führt zu etwas anderem? Zu spiritueller Erleuchtung? Oder zu höchstem Glück? Ihre Prämisse ist einzig und allein Ihre Sache. Sie ist Ihre Wahrheit, Ihre Vision. Sie zeigt an, wie die Dinge in der Welt, die Sie geschaffen haben, funktionieren.

EIN BISSCHEN ORDNUNG IM TERMINOLOGISCHEN WIRRWARR
    Es herrscht große Verwirrung unter Schriftstellern, inwieweit sich die Prämisse von einer Moral oder einem Thema unterscheidet.
    Am einfachsten zu verstehen ist der Begriff Moral. Eine Moral ist schlichtweg das, was eine Geschichte uns lehrt. Aufklärungsfilme für Soldaten über durch Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten haben eine Moral: Wenn du dich nicht schützt, kannst du dir was Übles fangen. Biblische Geschichten haben ebenfalls oft eine Moral: Wenn du Gottes Gesetze mißachtest, wird er dich strafen. Eine Fabel hat eine Moral: Erst gucken, dann springen oder Trau niemals einem Fuchs. Märchen lehren oft, daß Kinder, die ihren Eltern nicht gehorchen, leicht in schlimme Situationen mit Bären, Wölfen oder bösen Hexen geraten.
    Schriftsteller sind Künstler, keine Moralisten. Ein verdammt guter Roman hat nicht eine Moral in dem Sinne wie ein Aufklärungsfilm für Soldaten, eine biblische Geschichte, eine Fabel oder ein Märchen. Würden Sie allerdings beispielsweise eine Geschichte schreiben, in der ein Alkoholiker selbst durch Liebe nicht gerettet werden kann, dann könnte man sagen, daß der Roman eine Moral hat: Verlieb dich nie in einen Säufer. Und die meisten Detektivromane haben vermutlich die Moral: Verbrechen zahlt sich nicht aus. Aber das bedeutet nicht, daß ein Autor einen Detektivroman schreibt, um eine Predigt über die Verwerflichkeit des Mordens zu halten, noch daß Leute zur moralischen Erbauung Detektivromane lesen.
    Wenn in der modernen Literatur ein Roman eine Moral hat, ist diese wahrscheinlich eher zufällig. So könnte beispielsweise ein nur aus einem Erzählstrang bestehender Roman die Prämisse haben: Alkoholismus führt zu spirituellem Wachstum, und die Moral könnte lauten: Trinken bringt dich Gott näher, was natürlich keine Moral im traditionellen Sinne wäre. Alkoholismus führt einen doch angeblich in Erniedrigung und Tod. In traditionellen Geschichten führt Religion oder moralisch richtiges Handeln zu spiritueller Erleuchtung, doch in modernen Romanen führt Religion oft ins Verderben, zum Beispiel zum Inzest oder in den Wahnsinn. Mit anderen Worten, im modernen Roman ist die Moral das Gegenteil von dem, was man traditionellerweise unter Moral versteht. Moderne Romane haben also oft eine unmoralische Moral, zumindest nach traditioneller Sichtweise, wie zum Beispiel: Erzähl bloß nicht die Wahrheit, sonst zerstörst du deine Ehe oder Einen Mord zu begehen trägt zur Bewußtseinserweiterung bei. Aber wir lesen ja auch kaum noch, um unsere Moral zu verbessern.
    Soviel zur Moral, was etwas mit Moralpredigt halten zu tun hat. Das Thema oder die Prämisse hingegen sollen keine moralische Lektion erteilen.
    Die Autoren von Büchern über das Schreiben haben soviel Verwirrung bei der Definition von Thema und Prämisse angerichtet, daß diese Begriffe reine Worthülsen geworden sind. Für Sie können sie eine Sache bedeuten, für mich eine andere, und für einen dritten noch etwas anderes, und wir hätten alle recht. Wenn niemand von uns bereit ist, eine andere Definition als die eigene zu akzeptieren, dann würden wir wie beim Turmbau zu Babel festhängen und niemals einen verdammt guten Roman zustande kriegen.
    Aus praktischen Gründen wollen wir uns für dieses Buch auf jeweils eine Definition von beiden Begriffen einigen. Im Grunde spielt es keine Rolle, ob man eine Prämisse Prämisse und ein Thema Thema nennt, oder ob man eine Prämisse Banane und ein Thema Dingsbums nennt. Allein wichtig ist, was dahintersteckt.
    In How to Write Best-Selling Fiction definiert Dean Koontz Thema als »eine Feststellung oder eine Reihe von zusammenhängenden Beobachtungen über den einen oder anderen Aspekt der menschlichen

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