Wie man Freunde gewinnt
entstandene Problem zu lösen.
Der Buchhalter Bruce Harvey hatte aus Versehen einem Angestellten, der wegen Krankheit beurlaubt war, das volle Gehalt überweisen lassen. Als er seinen Fehler merkte, machte er den betreffenden Angestellten darauf aufmerksam und erklärte ihm, daß er die Differenz von der nächsten Lohnzahlung in Abzug bringen werde. Der Angestellte meinte jedoch, daß er dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gerate, und bat, den Abzug auf mehrere Monate zu verteilen. Dazu benötigte Harvey aber die Einwilligung seines Vorgesetzten. «Und ich wußte genau», berichtete er, «daß das ein gewaltiges Donnerwetter auslösen würde. Während ich überlegte, wie ich die Sache am besten schaukeln könnte, wurde mir bewußt, daß die ganze Geschichte einzig und allein mein Fehler war und ich das meinem Chef am besten gleich sagte.
Ich ging also in sein Büro und erklärte ihm, daß ich einen Fehler gemacht hätte, und erzählte, was passiert war. Und schon zog er mit Donnerstimme gegen die Personalabteilung los. Ich wiederholte, daß ich den Fehler begangen hätte. Jetzt wütete er über die Nachlässigkeit in der Buchhaltung. Ich erklärte zum drittenmal, daß es nur mein Fehler war. Nun tadelte er noch eine Reihe weiterer Leute. Aber jedesmal betonte ich, daß ich der Fehlbare sei. Schließlich sah er mich an und meinte: «Also gut, Sie sind schuld. Dann bringen Sie die Sache auch wieder in Ordnung.» Der Irrtum wurde korrigiert und niemand kam dabei zu Schaden. Ich war stolz, daß es mir gelungen war, eine heikle Situation zu meistern, und ich den Mut gehabt hatte, nicht nach Ausflüchten zu suchen. Mein Chef schätzt mich seither mehr denn je.»
Jeder Narr ist imstande, seine Fehler zu verteidigen - und die meisten Narren tun es auch -, aber es erhebt einen über die große Masse hinaus und verleiht einem ein stolzes Siegesgefühl, wenn man seine Fehler zugibt. Ein ausdrückliches historisches
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Beispiel hierfür hat uns General Lee im amerikanischen Sezessionskrieg geliefert, als er ganz allein die Schuld für den fehlgeschlagenen Angriff von Picketts Truppen bei Gettysburg übernahm.
Dieser Angriff war zweifellos der glänzendste und eindrücklichste, den die westliche Welt je erlebt hatte. Pickett selbst war eine imposante Figur, und seine ergebenen Truppen jubelten ihm zu, als er an jenem tragischen Julinachmittag auf die Stellungen der Union zuritt, die Mütze kühn über dem rechten Ohr. Sie folgten ihm in dichten Reihen mit flatternden Fahnen und blitzenden Bajonetten. Sie rückten durch Obstgärten und Kornfelder vor, überquerten eine Schlucht, und die ganze Zeit rissen die feindlichen Kanonen entsetzliche Lücken in ihre Kolonnen. Doch unaufhaltsam stürmten sie weiter.
Plötzlich tauchte die Infanterie der Union hinter einer Steinmauer auf, wo sie sich versteckt gehalten hatte und feuerte einen Volltreffer nach dem andern in Picketts Truppen. Der Kamm des Hügels schien ein einziges Flammenmeer, ein Schlachthaus, ein ausbrechender Vulkan zu sein. In wenigen Minuten waren Picketts sämtliche Brigadekommandanten bis auf einen gefallen und mit ihnen viertausend von den insgesamt fünftausend Mann.
Trotzdem gelang es den tollkühnen Kämpfern, für kurze Zeit die Fahne der Südstaaten jenseits der Mauer aufzupflanzen.
Aber sie flatterte nur einen Augenblick lang dort und dieser Augenblick entschied über das Schicksal der Konföderation.
Picketts Angriff, so gewaltig und heroisch, war der Anfang vom Ende. Lee hatte versagt. Er konnte nicht in den Norden vorstoßen und er wußte es.
Der Süden war verloren.
Lee war so verzweifelt, daß er seine Entlassung einreichte und Jefferson Davis, den Präsidenten der Konföderation, ersuchte,
«einen jüngeren und fähigeren Heerführer» zu ernennen. Hätte
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Lee den katastrophalen Mißerfolg von Picketts Angriff jemand anderem zuschieben wollen, so hätte er dafür genügend Gründe gefunden. Einige seiner Divisionskommandanten hatten ihn jämmerlich im Stich gelassen. Die Kavallerie hatte den Vorstoß der Infanterie nicht rechtzeitig unterstützt. Dieses war falsch und jenes war verkehrt gelaufen.
Aber Lee war viel zu stolz, um andere zu tadeln. Als Picketts geschlagene Truppen blutüberströmt in ihre eigenen Reihen zurückfluteten, ritt ihnen Robert E. Lee ganz allein entgegen und begrüßte sie mit einem Selbstbekenntnis, das etwas Erhabenes an sich hat. «Das alles war mein Fehler», sagte er. «Ich ganz allein habe diese
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