Wie man Freunde gewinnt
Luther King wurde einmal gefragt, wie es möglich sei, daß er als Pazifist den General der Luftwaffe, Daniel «Chappie»
James, den höchsten schwarzen Offizier der Nation, so bewundere. Dr. King gab zur Antwort: «Ich beurteile die Menschen nach ihren eigenen Maßstäben und nicht nach den meinen.»
In ähnlichem Sinne sprach General Robert E. Lee einst zu Jefferson Davis, dem Präsidenten der Konföderation, über einen bestimmten Offizier, der unter seinem Kommando stand. Ein anderer Offizier, der das hörte, meinte nachher erstaunt: «Aber, Herr General, wissen Sie denn nicht, daß dieser Mann, von dem Sie soeben in den höchsten Tönen gesprochen haben, einer Ihrer erbittertsten Feinde ist und keine Gelegenheit verpaßt, um Sie zu verleumden?» - «Doch», erwiderte General Lee, «aber der Präsident fragte mich nach meiner Meinung über ihn und nicht danach, was er von mir hält.»
-160-
Nebenbei gesagt erzähle ich Ihnen in diesem Kapitel gar nichts Neues. Vor über neunzehnhundert Jahren lehrte schon Christus: «Sei willfährig deinem Widersacher!»
Und zweitausendzweihundert Jahre vor Christi Geburt gab König Akhtoi von Ägypten seinem Sohn einen schlauen Rat, den wir heute nötiger haben denn je: «Sei diplomatisch, dann wirst du eher erreichen, was du dir vorgenommen hast.»
Mit andern Worten: Streiten Sie sich nicht mit Ihrem Kunden oder Ihrem Ehepartner oder Ihrem Gegner herum. Sagen Sie ihm nicht, daß er unrecht hat, reizen Sie ihn nicht, sondern seien Sie ein bißchen diplomatisch.
Regel 2 Achten Sie des andern Meinung und sagen Sie ihm nie: «Das ist falsch.»
-161-
3 Unrecht zu haben ist kein Unglück
Ich konnte früher von meinem Haus aus in wenigen Minuten ein unberührtes, wildes Stück Wald erreichen, wo im Frühling die Brombeersträucher weiß leuchteten, wo Eichhörnchen nisteten und ihre Jungen aufzogen und wo dichtes Unkraut wucherte. Dieser unverdorbene Wald nannte sich Forest Park -
aber es war wirklich eher ein Wald als ein Park und sah damals sehr wahrscheinlich noch nicht viel anders aus als zur Zeit, da Kolumbus Amerika entdeckte. Ich spazierte dort oft mit Rex, meiner kleinen Boston-Bulldogge. Er war ein lieber, harmloser kleiner Hund und da uns selten jemand begegnete, ließ ich Rex ohne Leine und Maulkorb laufen.
Eines Tages nun gerieten wir in diesem Wald einem berittenen Polizisten in den Weg, der darauf brannte, seine Autorität zu demonstrieren.
«Wie kommen Sie eigentlich dazu, Ihren Hund frei und ohne Maulkorb hier herumrennen zu lassen?» stellte er mich zur Rede. «Wissen Sie nicht, daß das verboten ist?»
«Ja, ich weiß», gab ich höflich zur Antwort. «Aber ich dachte nicht, daß er hier draußen etwas anstellen würde.»
«Sie dachten nicht! Das Gesetz kümmert sich einen Dreck darum, was Sie denken. Der Hund könnte ein Eichhörnchen töten oder ein Kind beißen. Ich will Sie für diesmal noch laufen lassen. Aber wenn ich den Hund wieder ohne Maulkorb und Leine hier erwische, dann muß ich Sie anzeigen.»
Ich versprach demütig, zu gehorchen.
Und ich habe auch gehorcht - wenigstens eine Zeitlang. Aber Rex mochte den Maulkorb nicht und ich auch nicht, und so beschlossen wir, es darauf ankommen zu lassen. Alles ging eine Weile ausgezeichnet, dann aber stießen wir auf Schwierigkeiten.
Rex und ich liefen eines Nachmittags einen Hügel hinunter, als
-162-
ich plötzlich zu meinem Mißbehagen hoch zu Pferd die Majestät des Gesetzes auftauchen sah. Rex jagte voraus und direkt auf den Polizisten zu.
Nun saß ich in der Tinte, ich wußte es. Also wartete ich gar nicht erst, bis der Polizist den Mund aufmachte, sondern kam ihm zuvor: «Herr Wachtmeister, Sie haben mich auf frischer Tat ertappt. Ich bekenne mich schuldig. Ich habe kein Alibi und keine mildernden Umstände. Sie haben mich vergangene Woche gewarnt, daß Sie mich anzeigen werden, wenn ich meinen Hund wieder ohne Leine und Maulkorb laufen lasse.»
«Nun ja», gab der Polizist in mildem Ton zurück, «ich weiß schon, daß man einen kleinen Hund gerne ein bißchen herumtollen läßt, wenn gerade niemand in der Nähe ist.»
«Natürlich», gab ich zu, «aber es ist gegen das Gesetz.»
«Ach, so ein kleines Hündchen wie dieses tut keinem Menschen etwas zuleide», entgegnete der Polizist.
«Das nicht, aber es könnte Eichhörnchen töten», erinnerte ich ihn.
«Ich weiß nicht, ich glaube, Sie nehmen das ein bißchen zu ernst», meinte er dann. «Wissen Sie was? Lassen Sie ihn dort
Weitere Kostenlose Bücher