Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
weitaus ungezwungener und regelmäßiger über geografische Grenzen und Generationen hinweg miteinander interagieren.
In vielerlei Hinsicht sind es die Älteren, die sozial Benachteiligten und andere Menschen, die traditionell ausgegrenzt wurden und nun vom Siegeszug der neuen Technologien am meisten profitieren könnten: Großeltern, die ansonsten kaum die Möglichkeit hätten, ihre Enkel kennenzulernen; Menschen in der Dritten Welt, für die der Kontakt zu Freunden und Verwandten eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebensqualität bedeuten könnte oder die durch schlechte Infrastruktur, Armut und politische Restriktionen lange Zeit isoliert gewesen sind.
Zunächst aber wachsen die digitalen Möglichkeiten unserer Zeit erst durch die menschlichen Erfahrungen und Werte, die in sie einfließen. Mehr als eine Dreiviertelmilliarde Menschen haben in dem halben Jahrzehnt seit der Eröffnung von Facebook einen Großteil ihres Privatlebens auf der Plattform veröffentlicht. Avatare und zweite Ichs in Spielen und anderen Bereichen sozialer Netzwerke bieten nicht nur eine Flucht aus dem Alltag, sondern auch einen Weg zu anderen und eine ganz neue Art der Kontaktaufnahme. Gerüchte, Lügen und Hass tiraden kursieren massenhaft online – doch gibt es auch bemerkenswerte neue Formen des Vertrauens, von den Milliarden von Fremden, die auf eBay miteinander Geschäfte machen, bis hin zu Diensten wie Alibaba.com, das über 60 Millionen Menschen in kleineren Unternehmen gestattet, Handel miteinander zu treiben.
Es ist ein verwirrender Malstrom, was bisweilen sehr beängstigend sein kann. Trotzdem sind es immer noch wir, mit unserer ganzen Menschlichkeit, die diese neuen Räume betreten und diese Erfahrungen machen. Nur, wenn man über diese Erfahrungen mit dem traditionellen humanistischen Vokabular von Gefühlen, Gedanken und Werten spricht, können wir darauf hoffen, in unserer modernen Zeit »intensiv« zu leben – und eine Zukunft zu verstehen, in der die Technologie immer genauer definiert, was es bedeutet, ein menschliches Wesen zu sein.
2 »Ja« und »nein« zur digitalen Technologie
1.
Die August-Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift The Wireless Age aus dem Jahr 1921 widmete sich auf insgesamt elf Seiten dem »Boxkampf des Jahrhunderts«. Der Kampf, bei dem es um den Weltmeistertitel im Schwergewicht ging, hatte im Monat zuvor in Jersey City stattgefunden. In der vierten Runde hatte der Amerikaner Jack »The Manassa Mauler« Dempsey seinen französischen Herausforderer Georges Carpentier k.o. geschlagen.
Es war ein großer Tag für den Sport. Die Ticketverkäufe an den Kassen brachten über eine Million Dollar ein. Doch das war nicht der Grund, warum The Wireless Age dem Ereignis solch große Bedeutung beimaß. Der 2. Juli 1921 war auch ein historischer Tag in der kurzen Geschichte des Rundfunks. Es war nämlich das erste Mal, dass bei einer großen Veranstaltung das live zugeschaltete Publikum die tatsächlich Anwesenden zahlenmäßig überstieg. Rund 90 000 Zuschauer drängten sich in der Jersey City Arena. Nach Schätzungen der Redaktion hatte jedoch ein Vielfaches – »nicht weniger als 300 000 Menschen« – den Kampf mit Spannung aus der Ferne verfolgt. Dies war ihnen durch ein Gerät ermöglicht worden, das im Grunde genommen ein Telefon war, angeschlossen an eine der bis dato größten jemals gebauten Sendeanlagen – die über 220 Meter hohe Antenne auf dem Erie-Lackawanna Railroad Terminal in Hoboken, New Jersey. Von dort verlief ein Kabel bis zu J. Andrew White, dem amtierenden Präsidenten der National Amateur Wireless Association, der die Geschehnisse im Ring begeistert schilderte. In letzter Minute, so bemerkte The Wireless Age fast verlegen, hatte man sich jedoch entschieden, Whites Kommentar von einem zweiten Sprecher an der Sendeanlage nachsprechen zu lassen. Diese Stimme war schließlich über den Äther zu hören.
Dank der Amateur Wireless Association wurde der Kampf Dempsey gegen Carpentier im August 1921 zu einem Wendepunkt in der Mediengeschichte.
( Dempsey gegen Carpentier © Corbis)
Die Zeitschrift war sich der Bedeutung dieses epochalen Ereignisses voll bewusst und sprach von einem »Rekord … und dem Beginn eines neuen Zeitalters. Während die Augen der Welt noch auf die verspätete Schilderung des Ereignisses in Form gedruckter Worte auf Papier warteten – berichtete das Radio mit einer Stimme! Über die Ohren der Zuhörerschaft wurde ein Ereignis von Weltrang in all seinen
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