Wie man leben soll: Roman (German Edition)
Container geschoben. Dort bekommt man einen Fragebogen vorgelegt. Er enthält Fragen zur Person, zum Lebenslauf. Man wird gefragt, ob man sich durch etwas Besonderes auszeichnet.
Man liebt Fragebogen und Umfragen aller Art. Man liebt es, wenn das Telefon läutet und eine nette Frau wissen will, wen man am Sonntag wählen würde oder ob man in letzter Zeit einen Urlaub über ein Reisebüro gebucht hat. Man spürt ein Prickeln, ähnlich dem, das man empfindet, wenn man stillhalten muss, weil man gezeichnet wird.
Man wird fotografiert. Das freundliche Mädchen fragt nach der Handynummer. Halb und halb erwartet man, von ihr zu hören.
Zu Hause erzählt man Conny, was man erlebt hat. Auch die Kinointellektuellen werden sogleich verständigt. Unter Glucksen und Gelächter malen sich alle aus, wie kurios ein Auftritt in der Talkshow wäre.
Wenn man ein paar Tage darauf telefonisch in ein Studio bestellt wird, um sich einem Casting zu unterziehen, wirft man sich aufs Sofa und tippt sich an die Stirn. Da Conny diese Idee jedoch amüsant findet und ihren Freund einmal im Fernsehen sehen will, egal als was, muss man hin. Um die Nervosität zu bekämpfen, trinkt man sich Mut an. Man setzt sein rotes Kopftuch und die Sonnenbrille auf und lässt sich von einem Taxikollegen hinfahren.
Damit man sich entspannt, wird man von Angestellten der Produktionsfirma mit alkoholischen Getränken, Knabberzeug und allerlei Magazinen versorgt und sodann in ein Fauteuil verfrachtet. Weil einem geheimnisvollen Gesetz zufolge Dinge dorthin gehen, wo schon Dinge sind, was nicht nur auf Geld, Unglück und dergleichen zutrifft, spricht man dem Alkohol aus Unruhe recht unbeherrscht zu. Man blättert in den Zeitschriften, wobei man die Sonnenbrille nicht abnimmt.
Nach einiger Zeit setzt sich eine junge Frau namens Nadine dazu, die ebenfalls vor ihrem ersten Casting steht. Sie trägt einen kurzen Rock.
Es gibt Hengste, denen wunderschöne Stuten zum Decken vorgeführt werden, und diese Hengste weigern sich, ihre Pflicht zu tun. Erst wenn man die Stute mit Dreck beschmiert, tritt der Hengst an. Dies beweist, dass Minderwertigkeitsgefühle sich nicht auf die menschliche Spezies beschränken. Normalerweise würde man es nicht wagen, die sexuelle Bereitschaft einer Frauwie Nadine zu überprüfen. Doch als sie erzählt, sie leide unter Psoriasis, fallen diese Hemmungen von einem ab.
Da die Katze das Mausen nicht lässt, schon gar nicht eine vom Gumpoldskirchner 1996 euphorisierte Katze, beginnt man mit Nadine zu flirten. Auch wenn man ein siebenundachtzigprozentiger Sitzer ist: Seit man Taxi fährt, hat man gelernt, die übrigen dreizehn Prozent dem guten Auskommen mit dem weiblichen Geschlecht zu weihen.
Man fragt, warum sie hier sei, und sie bestätigt den Verdacht, dass der Sender sie zu ihrer Hautkrankheit öffentlich befragen will. Wenn sie sich erkundigt, warum man hier sei, sollte man sich auf den Bauch klopfen und in ironischem Ton erklären, man wisse es nicht, das könne man nicht einmal ahnen. Man lacht, und Nadine lacht mit.
– Ob sie uns zur selben Sendung einladen werden?, fragt sie.
– Das steht schon fest, das wurde mir vorhin gesagt. Das Thema wird lauten: Die Schöne und das Biest.
Wieder lacht sie, und man sieht ihre weißen Zähne. Nun ist man viel aufgeregter, als stünde man schon vor der Kamera. Es wird eine Weile geschäkert. Durch einige Kinder, die lärmend durch die Halle ziehen, in der man sitzt und wartet, kommt die Rede auf Nachwuchs. Nadine sagt, sie wolle auch einmal Kinder haben, aber es sei ihr zu früh. Man trinkt noch einen Schluck und erklärt ihr, es gebe eine Möglichkeit, schon jetzt herauszufinden, ob sich ihr Wunsch erfüllen wird.
Man nimmt ihre linke Hand, ballt sie zur Faust und erklärt ihr, die Zahl der kleinen Fältchen zwischen dem Anfang des kleinen Fingers und dem Ende der Herzlinie bestimme die Zahl ihrer Kinder. Sie werde eines Tages zwei Kinder haben.
Merke: Wenn man bei einer Frau Eindruck schinden will, sollte man den Eindruck vermitteln, im Umgang mit Okkultem nicht unerfahren zu sein.
– Herzlinie?, fragt Nadine. Kannst du aus der Hand lesen?
Anstelle einer Antwort fasst man ihre linke Hand, streicht sanft über die Linien auf der Handfläche und beginnt noch mehr zu schwitzen und Herzklopfen zu haben.
Auch wenn man in der Kunst der Weissagung keineswegs bewandert ist, sollte man die Gelegenheit nutzen, einer attraktiven Frau nahe zu sein, sie berühren zu dürfen und
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