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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Inge.
     
    Da der Staatsanwalt den Tod Lauras als weniger glimpfliches Missgeschick einstuft als jenen des Seifensieders, kommt es zu einem Prozess, in dem einem Tante Kathis Anwalt zur Seite steht und die geballte Gerichtserfahrung, die man als Mutters Kronzeuge erlangt hat, nichts hilft. Neben einem sitzen Arnold und Heike, die nicht die geringste Vermutung haben, was der Paragraph bedeutet, der sie auf diese Bank gebracht hat.
    Weil man es aus Filmen nicht anders kennt, hat man in diesem Fall ein wochenlanges Verfahren mit Geschworenen und allem Drum und Dran erwartet. Statt dessen erhält man Gelegenheit zu konstatieren, dass Hollywood maßlos übertreibt, zumindest was die österreichische Rechtsprechung anbelangt. Die Verhandlung dauert genau zwei Stunden und von Geschworenen keine Spur. Aufgrund enormer Panik angesichts der Situation ist man hochkonzentriert. Auf die Richterin macht man den günstigsten Eindruck, wohl nicht zuletzt deswegen, weil man ausnahmsweise dem Rat der Familie gefolgt ist und sich gekämmt sowie in einen edlen Anzug gezwängt hat.
     
    Merke: Man sollte wissen, wann es genug ist.
     
    Alle Beteiligten müssen schildern, wie sie den Weihnachtsabend erlebt haben. Heike und Arnold unterläuft das taktische Missgeschick, auch zur Verhandlung unter dem Einfluss ihres geliebten braunen Marokkaners zu erscheinen. Sie stammeln, kichern, starren ins Leere, so dass man ihnen geradezu beimDenken zuschauen kann, und erweisen sich einer öffentlichen Konfrontation mit Syntax und Semantik als so unwürdig, dass sie sich den Groll der Richterin zuziehen und aus dem Zeugenstand gejagt werden.
    Der Verteidiger resümiert: Zweifelsfrei habe die Obduktion festgestellt, dass Laura erstickt sei. Die Verletzungen, die man ihr zugefügt habe, seien nicht letal, und der Blutverlust habe nicht zum Tode geführt. Es sei jedoch eine sechs Zentimeter lange Fischgräte in Lauras Hals gefunden worden, die unmittelbar und einzig für den Tod Lauras verantwortlich zu machen sei.
    Wenn man solche Sätze aus dem Mund seines Verteidigers hört, ist man von der Eleganz des Vortrags beeindruckt und fragt sich, ob man nicht Anwalt werden sollte, zumal man im Publikum schon einige Frauen gesehen hat, die den blonden jungen Mann mit Wohlwollen betrachten.
    In der Mittagspause vor dem Urteil ist man so nervös, dass man die ganze Zeit über mit Durchfall auf dem Klo sitzt. Von der Nebenkabine duftet es süßlich herüber. Arnold hält sich mit seiner Meinung über die Richterin nicht zurück. Eine unausstehliche Person sei sie, die einmal etwas rauchen solle, das würde ihr gut tun. Man hat Bauchkrämpfe, schweigt zu Arnolds Ausführungen und ist froh, als er fertiggepafft hat.
     
    Weil die Richterin eine alte Freundin von Tante Kathi ist, was man erst Wochen später erfährt, wird man in allen Anklagepunkten freigesprochen. Heike und Arnold hingegen werden wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt, weil sie an Laura nicht mitgeschnitten haben.
     
    Wenn man nach einem Prozess als freier Mann auf die Straße tritt, hat man Gott längst Dutzende Male versprochen, von nun an achtzugeben und niemanden mehr zu ihm zu schicken.
     
    Nachts im Bett fragt man sich, ob Tante Ernestine, Laura und der Seifensieder im Himmel miteinander sprechen, und wenn ja, ob man Gegenstand ihrer Unterhaltung ist, und wenn wieder ja, ob sie Gutes sprechen oder einen verwünschen.
    Von Tante Ernestine glaubt man zu wissen, dass sie ihrem Urgroßneffen verziehen hat, und Laura hat ihre Gräte schließlich selbst hineingeschlungen. Aber beim Seifensieder ist man sich sicher, dass er nur darauf wartet, es einem heimzuzahlen.
     
    Merke: Wenn man abergläubisch ist und mitschuldig am Tod von Menschen, schreckt man nachts schweißgebadet hoch und zwinkert in die Dunkelheit, ob man einen Geist sieht.
     
    Nach einer Weile beruhigt man sich. Man legt sich wieder neben Conny. Man träumt sich eine Existenz als berühmter Sänger herbei. Conny steht auch auf der Bühne, spielt Bass, aber man ist selbst der Sänger. Tausende jubeln einem zu. Im Publikum sieht man Laura, sie lebt, auch Tante Ernestine und der Seifensieder sind am Leben, irgendwie. In der ersten Reihe Paoletta. Ein irrer Fan springt auf die Bühne. Er bekommt einen Tritt, dass er in die Menge fliegt. Mit nacktem Oberkörper springt man herum und singt. Das Publikum wird hysterisch, so cool ist der Rock   …
    Conny beschwert sich, man solle sie nicht

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