Wie man leben soll: Roman (German Edition)
stoßen.
Nachdem Conny wieder eingeschlafen ist, sollte man daran denken, was die Gräfin von Dannewitz gesagt hat. Nach den Erfahrungen beim letzten Mal fällt es einem nicht leicht, den Geruchstest zu wiederholen. Aber andererseits genügen schon drei Prozent Draufgänger, um im Genick einer Frau zu schnüffeln. Schnüffeln ist keine allzu wagemutige Handlung.
Wenn man Conny in den Nacken schnuppert, stellt man fest, dass man sein harsches Urteil über die Gräfin von Dannewitz revidieren muss.
Wenn man als Taxifahrer arbeitet, geht man durch die Zeit wie Spencer Tracy in
Edison, the Man
. Man marschiert im Stand, man marschiert und marschiert, und hinter einem fallen Jahreszahlen vom Himmel.
1995 unterscheidet sich von 1994 vor allem dadurch, dass man nun Stereolab hört statt Element Of Crime. Man zieht mit Conny zusammen. Es gibt Wahlen. Die ganze Politik kann einem den Buckel hinunterrutschen, man bleibt zu Hause und sieht sich die Hochrechnungen im Fernsehen an. Hans-Peter sagt, die Geschäfte gingen schlecht, er könne nur mehr 38 statt 40 Prozent zahlen. Er hält einem sein Glas hin. Man stößt mit ihm an.
1996 unterscheidet sich von 1995 dadurch, dass in der Wohnung wieder zumeist Deutschrock erdröhnt. Hans-Peter geht auf 36 Prozent.
1997 ruft Sophie aus Ägypten an. Sie wolle heim. Ihr Mann erlaube es nicht. Man legt Triphop auf.
1998 hört man nichts anderes als Tindersticks. Conny macht eine Umschulung. Sie wird Programmiererin. Hans-Peter: 35 Prozent.
1999 gibt es wieder Wahlen. Man geht nicht hin. Nirvana und das andere Seattle-Zeugs erlebt eine Renaissance. Hans-Peter wird beim Versuch, dem Türken nur mehr 30 Prozent zu zahlen, von diesem erstochen. Man wechselt zu Fredl, der sich selbständig gemacht hat und einen »überzeugt«, für ihn zu fahren. Wenn man dreißig wird, zieht es einem die Schuhe aus vor lauter Alter.
2000 hört und singt man von früh bis spät Moby. Die Kunden im Taxi müssen es hören, Conny muss es hören, Ascuas muss es hören. Sophie flieht aus Ägypten. Sie schützt eine lebenswichtige Zahnbehandlung vor und kommt mit Hilfe der österreichischen Botschaft nach vielen Wirrnissen in der Heimat an. Nachdem ihre Ehe aufgelöst worden ist, heiratet sie Boban.
2001 schließt Mirko sein Medizinstudium ab und wird Assistenzarzt. Der rote Walter wird Mitarbeiter des Radiosenders FM4, oft bricht er live in Tränen aus. Inge gründet eine Spedition. Nach dem Rücktritt eines Abgeordneten, der betrunken mit dem Auto erwischt wurde, wird der Faust-Vorsitzende Mitglied des Nationalrats. Leo wird in den Vorstand eines Fußballvereins gewählt. In der Zeitung liest man, dass Günther, der verrückte Vizeteamchef, wegen einer Eifersuchtsgeschichte im Gefängnis sitzt. Onkel Johann gewinnt zwei Prozesse gegen Tante Hertraud, verliert aber einen gegen Onkel Willi aus Augsburg.
2002 hört man wieder Blumfeld. Und wieder Moby. Man trägt das Haar kurz, was die anderen jedoch selten merken, weil man gern ein Kopftuch aufsetzt. Man sieht sehr intellektuell aus, und Conny gefällt es. Wenn man kulturelle Veranstaltungen besucht, zieht man sich an wie ein Bauarbeiter. Man trägt eine blaue Latzhose und eine ausgesucht hässliche Kappe. Man traut sich, Künstler auszupfeifen. Die Kinointellektuellen, Boban ausgenommen, kommen zum Essen. Oft sprechen sie englisch. Man kocht selbst. Das ist auch gut so, denn im Taxi stopft man sich zuviel Junkfood hinein, was dazu geführt hat, dass man hundertachtundvierzig Kilo auf die Waage bringt und Sexualität nur noch in der Reiterstellung praktikabel ist.
Wenn man mit den Kinointellektuellen über die tägliche Talkshow des ORF lästert, sind sich alle darüber einig, bloß Verrückte und Idioten seien bereit, dort als Studiogast aufzutreten. Trotzdem versäumt man keine Folge. Manchmal macht einer der Freunde scherzhaft den Vorschlag, der Sendung als Zuschauer im Studio beizuwohnen und sie bei Gelegenheit zu entern. Da die meisten Menschen zuweilen gute Einfälle haben, die die meisten Menschen dann nicht in die Tat umsetzen, bleibt es bei der Idee.
Wenn man beim Einkaufen in der Innenstadt von einem Mädchen angesprochen wird, hält man sie erst für eine Spendensammlerin, wie man selbst vor langer Zeit einer war. Doch sie arbeitet für eine Produktionsfirma. Diese produziert für den ORF. Das Mädchen spricht Leute an, ob sie an einem Casting teilnehmen wollen.
– Eher nicht, sagt man.
Man wird in einen
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