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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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anzustimmen. Um sich zu konzentrieren, weiß man kein anderes Mittel, als den Text des aus den Boxen dröhnenden Liedes mitzusingen. Mit dem Teppichmesser schnitzt man noch ein wenig an Lauras Hals herum, der an einen gespickten Braten erinnert.
    Irgendwann kommt Heike auf den guten Gedanken, statt zu brüllen lieber den Notarzt zu verständigen.
     
    Merke: Wenn man nicht Medizin studiert hat, sollte man wenigstens einen Erste-Hilfe-Kurs belegen, um in Krisensituationen Hilfe leisten zu können. Bei den Zeugen Jehovas ist das Vorschrift.

 
    Wenn man nach Kenntnis der Öffentlichkeit schon zum zweiten Mal aus Versehen jemanden umgebracht hat, wird sogar Major Trautmannsdorf misstrauisch, und während man auf einem schmutzigen Stuhl im Polizeiwachtzimmer herumrutscht, dankt man dem Himmel dafür, dass niemand auch nur ahnt, unter welchen Umständen Tante Ernestine Abschied von dieser Welt genommen hat.
    Die bösen Polizisten werfen einem Fotos von Lauras Hals hin.
    – So soll es aussehen, wenn man jemandem »zu Hilfe kommt«?
    – Aber woher weiß denn ich, wo die Luftröhre ist, weint man.
    – Nicht: hier. (Der böse Bulle zeigt zehn Zentimeter neben seinen Kehlkopf.) Nicht: hier. (Er zeigt zehn Zentimeter links neben seinen Kehlkopf.) Nicht: hier. (Er zeigt an eine Stelle knapp unter seinem rechten Ohr.)
    – Da bin ich abgerutscht!, schluchzt man.
    – Trautmannsdorf, hörst du? Er ist abgerutscht! Wahrscheinlich hatte sie sich gerade den Hals eingeseift. Kerl du, jemandem helfen, das ist etwas anderes! Jemandem helfen bedeutet nicht, ihn zu schlachten! Nächstens weidest du einen Kumpel aus und erzählst uns, ihn habe der Blinddarm gejuckt!
    – Wir werden sehen, was die Autopsie ergibt, mischt sich Trautmannsdorf ein. Du hast schon sehr viel Pech, Freundchen. Auffallend viel Pech.
    – Ich weiß. Heike sagt, das sei das Karma   …
    – Willst du uns hier verarschen?, schreit einer der bösen Bullen.
     
    Merke: Wenn man unter Mordverdacht steht, sollte man auf esoterische Diskussionen mit den Ermittlungsbeamten verzichten und zu hundert Prozent kooperieren.
     
    Nach einer Reihe weiterer Drohungen darf man endlich telefonieren. Man ruft Tante Kathi an, die sich nicht im Mindesten von dem, was sie hört, überrascht zeigt und verspricht, ihren Anwalt vorbeizuschicken.
    Zwei Stunden später hat man ein Protokoll unterschrieben und steht auf der Straße. Noch immer hat man die blutverschmierten Kleider an, und es findet sich kein Taxifahrer, der bereit ist, einen nach Hause zu chauffieren.
    Wenn man aussieht, als habe man gerade jemandem den Hals durchgeschnitten, wird man von der Bevölkerung als Angehöriger einer Randgruppe betrachtet und muss Hans-Peter anrufen, um ihn zu bitten, einen Kollegen vorbeizuschicken.
    – Du! Du auch Hauspetterr!, ruft der Türke, nachdem man auf den Rücksitz gesunken ist.

 
    Wenn man ein paar Tage nach dem Unglück Mutter anruft, um ihr davon zu erzählen, sagt sie, sie wisse schon alles, Tante Kathi habe berichtet.
    – Ich finde ja ohnehin, ihr habt nicht zueinander gepasst. Sie: dürr. Du: fett. Sie: nervös. Du: träge. Sie: Arbeiterkind. Du: aus gutem Haus. Sie   …
    Man unterbricht diese Erörterung. Gern würde man darüber reden, wie es einem geht, aber man weiß nicht, wie man beginnen soll. Sie kommt einem zuvor. Sie sagt, es täte ihr leid, man solle sich keine Gedanken machen, was passiert sei, sei passiert, es sei Schicksal. Dann hat sie keine Zeit mehr, weil ihre Lieblingssoap
Reich und Schön
anfängt.
     
    Merke: Wenn man mit seiner Mutter telefoniert hat, geht es einem auch nicht besser als vorher.
     
    Einige Wochen später läutet es. Vor der Tür steht Lauras Mutter. Entsetzt will man in Deckung springen, doch die Frau, eine ältere Dame mit feinen Zügen und hübschem Gesicht, hält einem ein Kuvert hin. – Das war auf Lauras Sparbuch. Es sind achttausend Schilling. Ich bin sicher, dass sie gewollt hätte, dass du das Geld bekommst.
    Noch ehe man ablehnen oder sich bedanken kann, dreht sie sich um und läuft die Treppe hinab. Kopfschüttelnd trottet man zurück in die Küche.
    Während man mit Conny am Tisch sitzt und Kaffee trinkt,betrachtet man verstohlen ihre nackten Füße. Es gibt nichts Erotischeres als Frauen in Jeans, die weder Schuhe noch Strümpfe tragen. Conny hat die schönsten Füße, die man je gesehen hat. Klein, mit regelmäßigen Zehen und gepflegten Nägeln. Nicht krumm, nicht plump und vor allem keine Plattfüße wie etwa

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