Wie man mit einem Lachs verreist
fahren unbeirrt fort, sie zu verspeisen), so doch wenigstens gut über sie zu sprechen. Bedenkt man zudem, daß die Medien, die Schule, die öffentlichen Institutionen sich vieles vergeben lassen müssen, was sie den Menschen angetan haben, so wird es alles in allem lohnend, in psychologischer wie in ethischer Hinsicht, nun auf der Güte der Tiere zu beharren. Man läßt die Kinder der dritten Welt verhungern, aber man fordert die Kinder der ersten Welt auf, nicht nur Libellen und Häschen zu
respektieren, sondern auch Wale, Krokodile und Schlangen.
Wohlgemerkt, an sich ist dieser pädagogische Ansatz richtig.
Das Falsche ist die Überredungstechnik, die dazu benutzt wird:
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Um es die Tiere »wert sein« zu lassen, daß sie überleben, werden sie vermenschlicht und verniedlicht. Man sagt nicht, daß sie ein Recht zum Überleben haben, auch wenn sie ihrer Natur nach wild und räuberisch sind, sondern man macht sie respektabel, indem man sie als liebenswert, komisch, gutmütig, brav, geduldig und weise hinstellt.
Niemand ist unbesonnener als ein Lemming, tückischer als eine Katze, geifernder als ein Hund im August, stinkender als ein Ferkel, hysterischer als ein Pferd, idiotischer als ein Nachtfalter, schleimiger als eine Schnecke, giftiger als eine Viper, phantasieloser als eine Ameise und musikalisch einfallsloser als eine Nachtigall. Es gilt lediglich, diese und andere Tiere als das zu lieben, was sie sind -und wenn wir sie beim besten Willen nicht lieben können, sie wenigstens in ihrer Eigenart zu respektieren. Die Legenden von ehedem übertrieben es mit dem bösen Wolf, die Legenden von heute übertreiben es mit den guten Wölfen. Nicht weil sie gut sind, müssen die Wale gerettet werden, sondern weil sie Teil des natürlichen Lebens sind und zum ökologischen Gleichgewicht beitragen. Aber unsere Kinder erziehen wir mit Geschichten von sprechenden Walen, von Wölfen, die in den Dritten Orden der Franziskaner eintreten, und vor allem mit Teddybären ohne Ende.
Die Werbung, die Zeichentrickfilme, die Kinderbücher sind voll von gutmütigen, kreuzbraven, kuschelweichen und
beschützenden Bären. Deshalb, fürchte ich, sind die armen Kinder vom Central Park nicht aus Mangel, sondern aus
Übermaß an Erziehung gestorben. Sie sind Opfer unseres
unglücklichen Bewußtseins. Um sie vergessen zu machen, wie schlecht die Menschen sind, hat man ihnen zu oft erzählt, daß die Bären gut seien. Anstatt ihnen ehrlich zu sagen, was die Menschen und was die Bären sind.
(1987)
Wie man ein Vorwort schreibt
Ziel vorliegenden Streichholzbriefes ist zu erklären, wie man ein Vorwort gestaltet. Ein Vorwort zu einem Aufsatzband, einer
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philosophischen Abhandlung, einer Sammlung
wissenschaftlicher Studien, nach Möglichkeit publiziert in einem seriösen Verlag oder einer Schriftenreihe von universitärer Dignität und gemäß den heute üblichen Regeln der
akademischen Etikette.
In den folgenden Abschnitten werde ich darlegen, sei's auch in geraffter Form, warum man ein Vorwort schreiben muß, was es enthalten soll und wie die Danksagungen zu gestalten sind. Die Gewandtheit im Formulieren der Danksagungen charakterisiert den Wissenschaftler von Rang. Es kann vorkommen, daß ein Wissenschaftler am Ende seiner Arbeit entdeckt, daß er
niemandem Dank schuldet. Macht nichts, dann muß er
Dankesschulden erfinden. Eine Forschung ohne
Dankesschulden ist suspekt, und irgendwem hat man immer irgendwas zu verdanken.
Von unschätzbarem Wert bei der Abfassung dieses
Streichholzbriefes war mir die langjährige Vertrautheit mit der wissenschaftlichen Publizistik, in die mich das Ministerium für Öffentliches Unterrichtswesen der Republik Italien, die Universitäten Turin und Florenz, das Mailänder Polytechnikum, die Universität Bologna, die New York University, die Yale University und die Columbia University eingeführt haben.
Ich hätte diesen Streichholzbrief nicht ohne die wertvolle Mithilfe der Signora Sabina zum Abschluß gebracht, der ich den Umstand verdanke, daß mein Arbeitszimmer, das sich um zwei Uhr nachts in einen einzigen Haufen stinkender Kippen und zerknüllten Papiers verwandelt hat, am nächsten Morgen
wieder in einem akzeptablen Zustand ist.
Einen besonderen Dank schulde ich den Damen Barbara,
Simona und Gabriella, die hart gearbeitet haben, um zu
gewährleisten, daß meine der Reflexion gewidmete Zeit nicht durch Telefonate aus Übersee mit Einladungen zu Kongressen über die
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