Wie man mit einem Lachs verreist
Worten: »Jetzt öffne ich die Tür« und stellt sich dann vor. Wenn er uns zum Essen einlädt, bittet er uns zu Tisch, weist uns die Plätze an und sagt: »Das ist der Eßtisch, das sind die Stühle.«
Dann verkündet er stolz: »Und jetzt kommt die Köchin. Da ist sie, das ist Rosina. Rosina wird Sie jetzt fragen, was Sie zu speisen wünschen, und dann wird sie Ihnen das gewünschte Gericht auftischen.« Das gleiche geschieht in den Restaurants.
Kurios zu beobachten sind die Sitten und Bräuche der Bonga im Theater. Wenn das Licht im Saal ausgegangen ist, erscheint ein Schauspieler und sagt: »Jetzt fängt es an, jetzt hebt sich der Vorhang.« Der Vorhang hebt sich, und auf der Bühne
erscheinen andere Schauspieler, um beispielsweise „Hamlet“
oder den „Eingebildeten Kranken“ zu spielen. Aber zunächst wird jeder Schauspieler dem Publikum vorgestellt, erst mit seinem richtigen Namen und Vornamen, dann mit dem Namen der Figur, die er spielen soll. Hat ein Schauspieler zu Ende gesprochen, so sagt er: »Jetzt schweige ich eine Zeitlang.« Es vergehen ein paar Sekunden, und dann beginnt der andere Schauspieler zu sprechen. Müßig zu sagen, daß am Ende
jeden Aktes ein Schauspieler an die Rampe tritt und sagt: »Es folgt jetzt eine Pause.«
Frappiert hatte mich, daß ihre Singspiele und Operetten zwar genau wie bei uns aus kurzen Sprechszenen, Arien, Duetten und Balletteinlagen bestehen. Aber wir sind es gewohnt, daß zum Beispiel zwei Komödianten ihre Sprechszene spielen, dann fängt einer an, eine Arie zu singen, dann gehen beide ab, und ein Schwärm anmutiger Mädchen kommt auf die Bühne
gehüpft, um ein kleines Ballett zu tanzen, damit der Zuschauer sich ein bißchen entspannen kann, dann ist das Ballett zu Ende, und die Schauspieler fangen wieder an. Bei den Bonga dagegen kündigen die beiden Schauspieler erst einmal an, daß jetzt eine komische Szene folgen wird, danach sagen sie, daß sie jetzt ein Duett singen werden, und präzisieren, daß es scherzhaft sein wird, schließlich verkündet der letzte
Schauspieler auf der Bühne: »Und jetzt kommt ein Ballett.« Am
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meisten überrascht hatte mich, daß während der Pause auf dem Vorhang Reklametexte erscheinen, wie es auch bei uns vorkommt, aber nachdem er die Pause angekündigt hat, sagt der Schauspieler stets: »Und jetzt Werbung.«
Ich hatte mich lange gefragt, was die Bonga wohl zu diesem obsessiven Bedürfnis nach Präzisierung treiben mochte.
Vielleicht, sagte ich mir, sind sie etwas schwer von Begriff, und wenn einer nicht sagt: »Jetzt begrüße ich dich«, kapieren sie nicht, daß sie begrüßt werden. Und teilweise muß es wohl auch so sein. Aber der wahre Grund ist ein anderer. Die Bonga leben im Kult des Spektakels, und deshalb müssen sie alles zu einem Spektakel machen, auch das Implizite.
Während meines dortigen Aufenthaltes hatte ich auch
Gelegenheit, die Geschichte des Beifalls bei den Bonga zu rekonstruieren. In den alten Zeiten applaudierten die Bonga aus zwei Gründen: entweder aus Freude über ein schönes
Schauspiel oder um eine besonders hochverdiente Person zu ehren. An der Stärke des Beifalls konnte man ablesen, wie geschätzt und beliebt einer war. Allmählich begannen gewitzte Theaterchefs, um das Publikum von der Qualität eines
Schauspiels zu überzeugen, bezahlte Claqueure im Parkett zu verteilen, die applaudieren sollten, auch wenn kein Anlaß dazu bestand. Später, als dann die Fernsehshows aufkamen, holte man Freunde und Angehörige der Veranstalter in den
Studiosaal und bedeutete ihnen durch ein Lichtsignal (das die Zuschauer nicht sehen konnten), wann sie klatschen sollten.
Doch die Fernsehzuschauer hatten den faulen Trick bald
durchschaut, und damit wäre bei uns der Applaus natürlich erledigt gewesen. Nicht so bei den Bonga.
Auch das Publikum an den Fernsehgeräten zu Hause wollte nun seinen Beifall bekunden, und so präsentierten sich Scharen von Bonga freiwillig in den Studios, bereit, dafür zu bezahlen, daß sie in die Hände klatschen durften. Manche gingen sogar in eigens eingerichtete Kurse. Und da nun alle über alles im Bilde waren, sagte der Moderator selbst an den richtigen Stellen laut und vernehmlich: »Und jetzt einen schönen Applaus!« Aber bald begannen die Zuschauer im Saal, auch ohne Aufforderung
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durch den Moderator zu applaudieren. Es genügte, daß er einen Mitwirkenden nach seinem Beruf fragte, und der
Betreffende sagte: »Ich betreue die Gaskammer
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