Wie redest du mit mir
kann mich meine Gesprächspartnerin ›festnageln‹. Wie leicht könnte es doch passieren, dass ich mich mit meiner eigenen Sichtweise, meiner eigenen Stellungnahme hervorwage und plötzlich merke, dass die andere oder die anderen völlig anderer Meinung sind. Vielleicht sind sie enttäuscht von mir oder ärgerlich oder sie greifen mich sogar wegen meiner Meinung an, und ich muss mich rechtfertigen, nachgeben, zum Gegenangriff übergehen usw. Auf jeden Fall könnte es peinlich werden, ich könnte unangenehmes Aufsehen erregen; wo ich doch schon als Kind gelernt habe, bloß nicht aufzufallen. Und dies alles hätte ich vermeiden können, wenn ich mich nur nicht persönlich eingebracht hätte.«
Mit dieser Überzeugung laufen sehr viele Menschen in unserer Gesellschaft herum. Dementsprechend versuchen sie, sich im Gespräch mit anderen – und auch im Gespräch mit der eigenen Partnerin – keine »persönliche Blöße« zu geben. Sie drücken sich deshalb möglichst indirekt aus,doch drücken sie sich dadurch zugleich vor näherem zwischenmenschlichem Kontakt, was für die jeweilige Partnerin sehr verletzend sein kann.
Wir wollen Ihnen drei Gruppen von häufigen Kommunikationsfehlern vorstellen, die ein Gespräch indirekt und völlig unpersönlich erscheinen lassen. Da sie im Grunde alle drei der Verschleierung der eigenen Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse, Überzeugungen usw. dienen, nennen wir sie im Folgenden »Verschleierungsregeln«. Je nach Übung und Begabung der jeweiligen Sprecherin werden diese Fehler zu kleinen Meisterwerken der Verschleierung der eigenen Person ausgebaut.
Erste Verschleierungsregel: Sag’ niemals »ich« zu dir!
Stellen Sie sich vor, jemand, die Ihnen nahesteht, fragt Sie, wie es Ihnen momentan mit Ihrer Partnerin geht. Und Sie antworten: »Momentan habe
ich
Probleme mit meiner Partnerin«. Entsetzlich! Das könnte ja fast schon wie ein halbes Schuldbekenntnis verstanden werden. Das könnte ja klingen, als würde
ich
irgendetwas falsch machen, als würde
ich
versagen. Nun, keine Angst liebe Leserinnen, es gibt viele bewährte Methoden, sich zu drücken.
»Danke gut« ist erstens eine ultrakurze Standardformulierung auf viele lästige Fragen und zweitens in unserem Beispiel eine faustdicke Lüge.
Gesetzt den Fall, Sie wollen nicht direkt lügen, bietet sich das neutralere »Danke der Nachfrage« an, welches allerdings nur bei grober Betrachtung neutral wirkt und in unserem Beispiel mehr die Bedeutung »Kümmere dich um deinen eigenen Kram« gewinnt.
Die geübte Verschleierin greift in diesen Fällen auf das altbewährte »man« zurück, das sie reichlich mit Phrasen und Klischees garniert. »Nun, wie du ja selbst weißt, hat
man
, wenn
man
länger zusammenlebt, die eine oder andere Meinungsverschiedenheit. Aber damit muss
man
dann eben leben.« Mit dieser Formulierung verschanzt sich die Sprecherin hinter einem zwar ungeschriebenen aber doch allgemeingültigen Gesetz, das die ganze »Man«-heit = Menschheit betrifft. Sie selbst ist nur eine von allen, denen es so ergeht.
Seitdem die »Psychowelle« mit Wucht erst durch das amerikanische, dann auch durch unser Bewusstsein schwappte und dort eine Menge Schlamm, vereinzelt aber auch einige Perlen und andere Kostbarkeiten anschwemmte, ist das gute alte »man« nicht mehr ganz so ungefährlich wie früher. Mit etwas Pech stößt
man
auf eine Gesprächspartnerin, die kaltschnäuzig reagiert: »Bei
man
ist das vielleicht so, wie ist das aber bei dir?« Und dann hat
man
seine liebe Mühe, das nächste Verschleierungsmanöver einzuleiten. In psychologisch vorbelasteten Kreisen macht
man
sich mit Man-Formulierungen leicht verdächtig. Doch mit etwas Übung kann die Verschleierin auch diese Klippe umschiffen. Während sich die Man-Benutzerin auf das beruft, was alle anderen auch tun oder erleiden, beruft sich die fortgeschrittene »Es-Benutzerin« auf ein absolutes Natur- oder sonstiges Recht, das sie noch unangreifbarer macht. »Es ist einfach eine Tatsache, dass sich Beziehungen im Laufe der Jahre verändern. Nach einigen Jahren lebt
es
sich ganz einfach anders miteinander. Es entwickeln sich Meinungsverschiedenheiten, die
es
vorher nicht gegeben hat.«
Übrigens können die Man- und die Es-Formulierungen beliebig gegen etwas konkreter definierte Autoritäten ausgetauscht werden: »Die Erfahrung zeigt«, »der gesunde Menschenverstand sagt«, »wissenschaftliche Studien belegen«, »unsere Nachbarn, die Hubers, sind auch der Meinung« und
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