Wie redest du mit mir
erwartet. Damit wäre der »Small-Talk«, also das oberflächliche Gespräch, wie es uns in vielen förmlichen Situationen begegnet, eröffnet.
Die geübte Verschleierin ist häufig eine Meisterin im »Small-Talk« und wendet diesen auch an, wenn die Situation ein völlig anderes Gesprächsverhalten erfordern würde. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrer Partnerin auf einer Party. Sie amüsieren sich prächtig. Zwischendurch haben Sie aber den Eindruck, dass es Ihrer Partnerin nicht besonders gefällt. Sie zieht ein langes Gesicht, hängt in einer Ecke herum, nimmt keinerlei Kontakt zu den anderen Partygästen auf. Sie sind wirklich daran interessiert, dass Ihre Partnerin auch Freude daran hat, und fragen sie, ob es ihr nicht gefällt. Stellen Sie sich die Frustration vor, wenn Sie zur Antwort bekommen: »Doch, doch, es ist ganz nett hier«. Mit dieser herrlich oberflächlichen Antwort legt sich Ihre Partnerin nicht fest, gibt nicht zu erkennen, was in ihrvorgeht, und setzt Sie unter Druck, den nächsten Schritt zu tun. Doch wie Sie auch reagieren, es wird wahrscheinlich falsch sein. Nehmen Sie die Äußerung ganz wörtlich, ignorieren das lange Gesicht Ihrer Partnerin und wenden Sie sich wieder den anderen zu, wird Sie Ihre Begleiterin als herz- und gefühllos abstempeln. Wenn Sie versuchen, sie auf ihr langes Gesicht aufmerksam zu machen – z. B. »Ich seh’ doch ganz genau, dass es dir nicht gefällt« – können Sie mit säuerlichem Widerspruch rechnen, wie »Du musst es ja besser wissen, wenn du mir nicht glaubst, was ich sage«. Wenn Sie dagegen zum Angriff in Form von Vorwürfen übergehen, – etwa. »Wie du Miesmuschel hier rumhängst, damit vermiest du mir auch noch den ganzen Abend« – dann ist ein unerfreulicher Streit sowieso vorprogrammiert.
Die beste Möglichkeit für Sie, diesen Abend noch zu retten, bestünde darin, dass Sie beide möglichst offen über ihre Gefühle und Bedürfnisse miteinander reden. Nur so könnten Sie Verständnis für die Lage der jeweils anderen gewinnen und wirksame Schritte zur Problemlösung finden. In unserem Beispiel könnte hinter dem »langen Gesicht« vielleicht der Wunsch stehen, von der Partnerin den anderen vorgestellt zu werden, um besser Kontakt zu bekommen. Doch nur wenn dieser Wunsch deutlich angesprochen wird, kann er vielleicht auch erfüllt werden.
Obwohl dem Äußern der eigenen Gefühle eine wesentliche Funktion für das partnerschaftliche Gespräch und das Lösen von zwischenmenschlichen Problemen zukommt, bietet unsere Gesellschaft kaum Modelle hierfür an. Im Gegenteil, schon als Kind lernen die meisten, Jungen noch mehr als Mädchen, dass Gefühle im Allgemeinen und negative oder unangenehme Gefühle im Besonderen fehl am Platze sind. Das vorwurfsvolle »Ein Junge weint nicht«oder das tröstlich gemeinte »Da darfst du nicht traurig sein« sind nur zwei Beispiele für eine weit verbreitete Erziehungsmaxime. Unsere Arbeitswelt tut ihr Übriges dazu, denn am Arbeitsplatz sind Logik und Sachlichkeit gefordert, Gefühle werden hier nur zu leicht als Gefühlsduselei abgewertet.
Wir halten es für eine Illusion, dass es in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen ausschließlich sachlich zugeht. Hinter der Fassade einer mühsam aufrechterhaltenen »Pseudo-Sachlichkeit« stecken häufig massive Angstgefühle, wie z. B. Angst vor Konkurrenz, Angst nicht für voll genommen zu werden, Angst vor Kontrollverlust usw. Es ist nicht verwunderlich, wenn viele Konferenzen und Besprechungen ausgesprochen unfruchtbar verlaufen. Denn solange die zugrunde liegenden Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Teilnehmerinnen nicht geklärt sind, ist eine sachliche Problemlösung nicht möglich.
So schädigend sich diese »Pseudo-Sachlichkeit« schon am Arbeitsplatz auswirken kann, umso verheerender wirkt sie auf die intimste Form des Miteinanders, die Partnerschaft. Anstelle von echten Gefühlen werden dann scheinbar »objektive« Gründe vorgeschoben. So könnte in unserem obigen Beispiel die Partnerin mit dem langen Gesicht vielleicht sagen: »Also diese Art von Musik hier ist spätestens seit Mitte der Achtziger Jahre völlig indiskutabel. Außerdem kann bereits bei dieser Lautstärke das Gehör nachhaltig geschädigt werden.« Die Sprecherin versteckt ihre Gefühle und Wünsche hinter einem pseudosachlichen, Kompetenz vorgebenden Gesprächsstil. Kein Wunder, dass die Zuhörerin sie nicht als Mensch wahrnehmen kann und vielleicht ihrerseits in die
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