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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Augen funkelten. »Ich würde mir beinahe wünschen, sie gingen auf mein Konto. Sie sind wunderschön. Ich liebe das Geheimnisvolle und die Worte, aber noch interessanter finde ich das, was ungesagt bleibt. So wie bei meinem Bild von der Katze; deswegen möchte ich auch Psychiater werden. Aber: nein, ich war es nicht … Sie werden leider weitersuchen müssen.«
    Er drehte sich um und ging davon, dann begann er zu rennen, über den Hügel zu Agnes. Bernies Herz war schwer, als sie ihn gehen sah. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr sie sich danach sehnte, ihren Sohn kennenzulernen, mit dem sie in jenem kalten Januar vor dreiundzwanzig Jahren nur wenige Stunden verbracht hatte.
    »Bernie.« Tom stand neben ihr.
    »Ich weiß.«
    »Nichts weißt du. Du hast keine Ahnung.«
    Sie fuhr herum, um ihm in die Augen zu blicken. Doch statt Resignation oder Traurigkeit entdeckte sie Leidenschaft und Zorn darin.
    »Schwester Bernadette. Mutter Oberin von Star of the Sea.«
    »Ganz recht. Das bin ich.«
    »So sehr, dass du alles andere verdrängt hast.«
    »Was soll das heißen?«
    »Der Junge. Er hätte unser Sohn sein können.«
    »Tom, ich weiß …«
    »Bernie, denkst du jemals daran? Denkst du an ihn? An uns? Wie es mit uns beiden war? Was hätte sein können?«
    »Natürlich denke ich daran«, flüsterte sie.
    »Der Gedanke quält mich immerzu, Bernie. Ich komme mir wie ein Gespenst vor. Ich bin jeden Tag hier und arbeite in deinem Weingarten, nur damit ich dir nahe sein kann.«
    »Ich möchte nicht, dass du dich quälst«, entgegnete sie.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Qual zu beenden. Ich werde nach Irland zurückkehren.«
    »Sag so etwas nicht!«, brach es aus ihr heraus, und sie wandte sich ab.
    Tom packte sie an den Schultern und schüttelte sie, so dass ihr Schleier verrutschte. Sie streckte die Hand aus, schob ihre Haare wieder darunter. Er bemerkte es kaum, sondern starrte sie nur an, versuchte, sie aus der Fassung zu bringen.
    Er hatte Star of the Sea nie verlassen, hatte sich nie um eine andere Stellung bemüht – obwohl es an Angeboten nicht gemangelt hatte. Viele Komiteemitglieder, Wohltäter und Eltern von Studenten hatten versucht, ihn dem Kloster abspenstig zu machen. Und obwohl sie es niemals zugeben würde, wusste Bernie, dass sie ohne ihn verloren war.
    »Denk darüber nach«, sagte er. »Brendan hat uns gezeigt, was möglich ist. Menschen können immer einen Weg zueinander finden.«
    »Was heißt das?«
    »Wir sollten nach Dublin reisen. Du und ich.«
    »Mein Platz ist hier«, flüsterte sie. »Das weißt du!«
    »Ja, das weiß ich. Glaubst du, das könnte ich jemals vergessen? Aber ich habe deine Augen gesehen, als Brendan sagte, dass er adoptiert wurde – ich habe gesehen, was diese Worte bei dir ausgelöst haben. Nämlich das Gleiche wie bei mir, Bernie. Ich dachte an …«
    »Unser Kind.«
    »Ja. Unser Kind.
Unser beider Kind,
Bernie. Mag sein, dass diese Gefühle nur kurz aufgekommen sind, bis du sie verdrängt hast und zur Tagesordnung übergegangen bist, dich wieder in Schwester Bernadette verwandelt hast.«
    »Sie waren nicht von kurzer Dauer.«
    »Nein?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr Herz klopfte, das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie drehte sich um, ließ Tom im Sonnenschein stehen und betrat die Grotte.
    Es war ein heißer Sommertag, genau wie vor vierundzwanzig Jahren, als sie um Erleuchtung gebetet hatte – in der Hoffnung auf ein Zeichen, dass sie Tom heiraten sollte, doch stattdessen war ihr die Muttergottes erschienen.
    Was wäre, wenn Honor in ihrem Brief recht gehabt und sie das Zeichen falsch gedeutet hatte? Sie hatte geglaubt, dass die Muttergottes sie zu dem Leben, das sie nun führte, berufen hatte. Sie hatte sich tief geehrt gefühlt, dass die heilige Jungfrau ihr erschienen war, sie aufgefordert hatte, ihrem anfänglichen Traum zu folgen und Nonne zu werden.
    Aber die Muttergottes hatte auch noch eine andere Seite. Sie war Ehefrau und Mutter gewesen. Keine Frau hatte ihre Familie mehr geliebt … War es denkbar, dass sie das alles aus einem ganz anderen Grund aufgegeben hatte? Weil ihre streng katholische Erziehung und der Stolz von zwei Familien sie dazu gedrängt hatten, ins Kloster einzutreten, obwohl das Zeichen, das sie in der wundersamen Erscheinung gesehen hatte, so oder so gedeutet werden konnte?
    »Hier habe ich Maria gesehen«, sagte sie mit rauher Stimme.
    »Ich weiß«, sagte Tom. »Du hast es mir damals erzählt. Als du meinen Heiratsantrag endgültig

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