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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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und zugänglich gewesen war. Doch bei Toms Anblick, der strahlte wie der biblische Vater über die Heimkehr des verlorenen Sohnes, schien sich der Junge in sein Schneckenhaus zurückzuziehen. Tom wünschte sich nichts sehnlicher, als seine Familie vollzählig vor sich zu sehen, auf der Bank vor der Blauen Grotte, er wollte, dass Brendan ihr gemeinsamer Sohn war. Bernie und Brendan rückten zur Seite, um Platz zu machen. Tom setzte sich an das andere Ende der Bank, so dass der Junge in der Mitte war.
    »Tom«, sagte Bernie. »Brendan hat mir soeben erzählt, dass er sich auf die Suche …«
    »Das habe ich mitbekommen. Ich weiß, dass er seine leiblichen Eltern ausfindig machen möchte. Und dass seine Suche ihn hierhergeführt hat. Zu uns.«
    Brendan nickte. »Nun, zu Ihnen … es gab einen Vermerk über Star of the Sea, und dass der Familienname Kelly lautete …«
    Bernie schloss die Augen.
    Brendan wusste nichts von der Verbindung zwischen Tom und ihr. Und dass sie möglicherweise seine leibliche Mutter war. Sie hatte die Vesper verpasst; sie hörte die Stimmen ihre Mitschwestern, hell und klar. Sie sangen Psalmen, deren Klänge zum Himmel emporstiegen, mit der Sommerluft verschmolzen und ihr Herz erfüllten. Wie oft hatte sie nach der Geburt ihres Kindes in der Kapelle gesessen, hatte gesungen und gebetet, Vers für Vers, Seite um Seite, und geglaubt, es gäbe nicht genug Gebete oder Psalmen, um ihren Kummer zu lindern?
    »Alles passt zusammen.« Toms Stimme war leise und angespannt.
    »War der Geburtsort in den Adoptionspapieren vermerkt?«, erkundigte sich Bernie ruhig.
    »Ja. Moment.« Brendan kramte in seiner Tasche. Dass er die Papiere bei sich hatte – mit sich herumtrug –, versetzte ihr einen Stich mitten ins Herz. Schlimmer noch als seine Schuhe oder Toms Gesichtsausdruck. »Hier steht es – ›Geburtsort: New London, Connecticut. Shoreline General Hospital.‹«
    Bernie hätte schwören mögen, dass sie hörte, wie Toms Herz brach. Sie spürte die kalte Verzweiflung, die aus jeder Pore drang, und stellte bestürzt fest, dass es ihr nicht anders erging.
    »
New London?
Bist du sicher?«, fragte Tom.
    Brendan nickte und suchte abermals in seiner Tasche. Dieses Mal zog er ein kleines Plastikarmband hervor – wie man sie in Krankenhäusern am Handgelenk der Säuglinge befestigte. Es war blau, und unter den Worten »Shoreline General« stand: »Brendan, männlich«.
    »Sehen Sie? Mein Familienname stand ja noch nicht fest, aber allem Anschein nach wollte meine leibliche Mutter unbedingt, dass ich den Vornamen Brendan erhielt.«
    Bernie sah über seinen Kopf hinweg Tom an, der ihren Blick mied. Enttäuschung spiegelte sich in seinen Augen, während er das Dokument, das Plastikarmband und den jungen Mann anstarrte, von dem er sehnlich gehofft hatte, es wäre sein Sohn.
    »Gab es einen bestimmten Grund dafür, mir diesen Namen zu geben?«, fuhr Brendan fort, an Tom gewandt.
    Bernie öffnete den Mund, um Tom die Bürde abzunehmen. Aber er war schneller. Er sah Brendan in die Augen.
    »Unser Sohn wurde in Dublin geboren«, sagte er sanft, voller Mitgefühl und Liebe.
    »Das muss ein Irrtum sein«, entgegnete Brendan verwirrt. »Ich bin in New London geboren.«
    »Und unser Sohn in Dublin, Irland. Wir waren dort, um Nachforschungen über unsere Familiengeschichte anzustellen, in dem Jahr, bevor Bernie …«
    Er beendete den Satz nicht:
bevor Bernie ins Kloster eintrat.
    Sie lauschte den Gesängen der Schwestern, zitterte innerlich, als würde die Erde erbeben und sich auftun, um sie zu verschlingen. Tom hatte versucht, ihr das gottgeweihte Leben auszureden, seit sie ihm erzählt hatte, dass sie sich dazu berufen fühlte – genau hier, auf dem Gelände von Star of the Sea. Ihre Familie war dagegen stolz auf sie. Genau wie die Kellys. Sie war das erste Mitglied ihrer Generation – beider Familien –, das sich zur Ordensschwester berufen fühlte.
    Abend für Abend hatte es sie umgetrieben, hatte sie um Erleuchtung gebetet. Sie liebte Tom, hatte ihn immer geliebt. Sie sehnte sich danach, bei ihm zu sein, seine Frau zu werden, Kinder mit ihm zu haben.
    Doch gleichzeitig verspürte sie einen Sog, der sie in die entgegengesetzte Richtung zog – sie liebte Gott von ganzem Herzen und träumte immer wieder davon, dass es viel für sie zu tun gab – Möglichkeiten, den Menschen zu helfen, die sie nur nutzen konnte, wenn sie ihr Leben ausschließlich Ihm widmete: wenn sie Nonne wurde.
    Sie widersetzte

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