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Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet

Titel: Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge , Angelika Bartram
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Alina nickt. Das ist zwar nicht das, was sie wollte, aber da sie Lilli insgeheim bewundert, genügt es ihr auch, deren Schleppe zu tragen.
    »Ich will aber, dass Alina meine Schleppe trägt«, erklärt Saskia. »Na komm schon, Alina, los! Oder du bist nicht mehr meine Freundin!«
    Alina zögert. Saskia ist einen Kopf größer als sie, und sie möchte es sich auch mit ihr nicht verderben. So schlägt sie vor: »Ich kann ja zuerst Lillis Schleppe tragen und dann deine.«
    Saskia reicht das nicht. »Nein, zuerst meine, oder du bist nicht mehr meine Freundin.«
    Lilli protestiert. »Zu wem hältst du? Zu ihr oder zu mir?«
    Alina fühlt sich ausgesprochen unwohl in ihrer Haut. »Ich weiß nicht«, stammelt sie mit weinerlicher Stimme.
    »Heulsuse, Heulsuse!«, veräppelt sie Saskia. Und auch Lilli amüsiert sich: »Alina ist ’ne Heulsuse!«
    »Ihr seid so gemein!«, beschwert sich Alina. »Ihr seid nur gemein!« Und schluchzend verzieht sie sich in die Kissenecke.
    Lilli und Saskia stolzieren nun in hämischer Eintracht in Prinzessinnenmanier im Raum auf und ab. Leider fehlt ihnen das Publikum. Denn die Jungs raufen immer noch. Sven hat schließlich genug. Und während die anderen noch ineinander verknäult sind, löst er sich und baut weiter an der Ritterburg. David folgt ihm nach einiger Zeit. Und kurz darauf bauen auch Mirko, Mario und Noah mit an der Burg … so als hätte es nie eine Meinungsverschiedenheit gegeben.
Es geht auch mit wenigen Worten
    Auch diese Szene zeigt das typische Kommunikationsverhalten beider Geschlechter: JUNGEN SPRECHEN WENIGER mit Jungen als Mädchen mit Mädchen. Gleichwohl verstehen sich Jungen und kooperieren, ohne viel zu reden. Auch wenn in dieser Situation manches Vorurteil enthalten ist, so lassen sich doch einige typische Beobachtungen anstellen:
Mädchen können Sprache in ihrer Komplexität schneller erfassen. Sie laden – computertechnisch gesprochen – alle Informationen in jene Gehirnregionen, die mit dem ABSTRAKTEN DENKEN verbunden sind. Sie »blicken schneller durch«.
Mädchen nutzen Sprache einerseits für Zusammenhalt und Zugehörigkeit, um zu KOOPERIEREN , sich zu verständigen und um Nähe und Gemeinsamkeit herzustellen. Andererseits verwenden sie ihre sprachliche Kompetenz auch dazu, das Gegenüber herabzuwürdigen, ausgrenzen und einen »Zickenkrieg« zu beginnen.
Bei Jungen ist Sprache, ist das Sprechen an konkrete Situationen, HANDLUNGSABLÄUFE UND AKTIVITÄTEN gebunden. Komplexität und Differenziertheit liegt Jungen manchmal fern. Mit Abstraktionen haben sie nicht viel am Hut. Sie reden in kurzen, knappen Sätzen, manchmal gehen sie solidarisch miteinander um, dann eher rustikal, manchmal schätzen sie sich, dann werten sie sich ab und agieren unter der Gürtellinie.
Während am Ende des »Zickenkriegs« die Parteien meist unversöhnlich und beleidigt zurückbleiben, vollzieht sich die VERSÖHNUNG bei den Jungen schneller – ganz nach dem Motto: »Pack schlägt sich! Pack verträgt sich!«
Die Märchenstunde
    Vorlesen gehört für Maja Keller, Mutter zweier Kinder, fest zum häuslichen Ritual. Denn Maja kann sich noch gut daran erinnern, wie sie selbst als kleines Mädchen fasziniert den Geschichten gelauscht hat, die ihre Mutter ihr vorgelesen hat.
    Heute ist ein regnerischer Nachmittag. Und eigentlich wollte Maja mit ihren beiden Kindern Lea und Lars in den Zoo gehen. Aber das fällt nun im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Als Trost beschließt sie, eine Märchenstunde einzulegen. Gemeinsam machen es sich die drei in der Kuschelecke auf der Couch gemütlich, und Maja beginnt, aus Grimms Märchenbuch vorzulesen. Diesmal ist »Rumpelstilzchen« an der Reihe. Die fünfjährige Lea hält ihren Teddy umklammert und taucht ganz mit in die Geschichte ein. Der siebenjährige Lars dagegen wird schon nach kurzer Zeit unruhig. Sein Blick wandert im Zimmer umher, und er wechselt ständig seine Sitzposition.
    Maja hält kurz inne. »Lars, bitte, jetzt sitz still und hör zu«, fordert sie ihren Sohn in freundlichem Ton auf. Lars seufzt, versucht, eine passende Position zu finden, und schafft es, eine Seite lang zuzuhören. Dann fängt er an, mit den Fingern auf einem Kissen herumzutrommeln. »Hör auf damit!«, beschwert sich Lea.
    Die Mutter wirft ihrem Sohn einen strengen Blick zu. »Heute back ich, morgen brau ich …« Maja Keller gibt alles, um Rumpelstilzchen durch einen koboldhaft bösartigen Stimmklang lebendig werden zu lassen. Lea hängt an ihren Lippen.

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