Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
nicht nach Hause komme, kannst du mich auch nicht erwischen.«
»Fabian, das ist nicht witzig. Was denkst du dir eigentlich? Glaubst du, ich will mich mit dir lächerlich machen?«, entgegnet der Vater.
»Du warst zu sanft mit ihm«
Walter sieht seine Frau erwartungsvoll an. Aber Monika schweigt und kaut weiter langsam an ihrem Brötchen. »Du warst zu sanft mit ihm. Das haben wir nun davon!«, sagt Walter zu seiner Frau.
Fabian tut so, als ob ihn das alles nichts anginge.
»Und was hast du bei Philipp gemacht?«, erkundigt sich Vater Walter weiter.
»Geredet.«
»Was? Geredet?«
Fabian nickt.
Vater Walter kneift skeptisch die Augen zusammen, so als könne er dann besser durch Fabian hindurchschauen.
Mutter Marion kaut immer noch an ihrem Brötchen und fragt Fabian:
»Aber man redet doch nicht drei Stunden?«
»Doch!«
»Lass ihn!«, wütet der Vater. »Mal sehen, wer hier zum Schluss die besseren Argumente hat!«
Gespräche sind keine Einbahnstraße
Die geschilderte Situation veranschaulicht, warum gerade ältere Kinder oft das Gespräch verweigern und blockieren: wenn sie das Gefühl haben, es bestehe eine PFLICHT zur Berichterstattung und sie träten vor einen Sondergerichtshof, um ihre Sünden und Verfehlungen zu beichten. Auch sie brauchen Zeit und Raum, um sich auf Vater oder Mutter einzulassen und sich zu öffnen. Auch für sie ist eine ungezwungene, offene Atmosphäre wichtig, damit sie wirklich von sich erzählen wollen. Da geht es Kindern nicht viel anders als Erwachsenen: Sie sind keine Automaten, bei denen man nur einen Schalter umlegen muss, damit sie sich öffnen.
Erzählen basiert auf Freiwilligkeit
Zudem wollen gerade ältere Kinder manche Dinge auch für sich behalten oder sie zunächst mit Freunden besprechen. Darin drücken sich eine ZUNEHMENDE EIGENSTÄNDIGKEIT und ein wachsendes Selbstbewusstsein aus. Dieses Verhalten ist nicht gegen die Eltern gerichtet. Kinder wissen sehr wohl, wie wichtig Vater und Mutter sind. Sie wissen aber auch, wie diese »ticken«. Manchmal ängstigen sich Eltern schnell und machen sich sorgenvolle und düstere Gedanken, wenn sie hören, was die Kinder erfahren und durchlebt haben. In vielen Fällen sind dann gleichaltrige Freunde die angemesseneren, weil verständnisvolleren Gesprächspartner, die sich besser in die Situation einfühlen und sie verstehen können.
Zum Prozess der Eigenständigkeit, des Selbstständigwerdens gehört eben auch, sich abzugrenzen und Erfahrungen – seien sie noch so bedrückend – nicht sofort preiszugeben. Das mag für Sie als Eltern schmerzlich sein, für Ihre Kinder sind das aber wichtige Bausteine für eine autonome Persönlichkeit. Dabei ist es aber trotzdem wichtig, dass Sie Ihren Kindern das Gefühl geben, mit allen Sorgen und Nöten zu Ihnen kommen zu können. Denn Eltern bleiben auch während der Abnabelung HALT GEBENDE AUTORITÄTEN . Allerdings bestimmen Heranwachsende immer häufiger, wann und ob sie sich ihren Eltern annähern wollen. Wenn Kinder erfahren, dass sie infolge ihrer Schilderungen verhört (»Wie kannst du das nur machen!«), abgewertet (»Das hast du nun davon. Ich hab’s dir gesagt!«), beschimpft (»Da bist du eben selber schuld. Sieh zu, wie du da rauskommst!«) oder vertröstet (»Das ist doch halb so schlimm!«) werden, ist es kein Wunder, wenn sie dichtmachen und sich einem Gespräch verweigern.
Kinder fühlen sich oft nicht angenommen
Die Geschichte von Fabian macht zudem deutlich, was viele ältere Kinder am Gesprächsverhalten ihrer Eltern kritisieren:
Eltern hören oft nicht richtig zu. Sie konzentrieren sich nicht auf das, was der Heranwachsende vorträgt, sondern haben vorgefasste ANTWORTEN im Kopf und lassen nur ihre eigene Meinung gelten – obwohl dies nicht immer gewünscht wird.
Die Nachfragen ihrer Eltern empfinden Kinder häufig als Verhör. Eltern bohren nach, wollen alles wissen, spüren nicht die Grenzen, die ein Heranwachsender setzt. Je weniger ein Kind das Gefühl hat, nicht alles sagen zu müssen, desto freier drückt es sich häufig aus, desto mehr gibt es preis von dem, was es mitteilen möchte. Anders ausgedrückt: Je intensiver Eltern mit ihren Fragen in die Kinder eindringen, umso schneller machen diese dicht.
Ein Heranwachsender will diskutieren und sich auseinandersetzen. Wenn er aber das Gefühl hat, der Erwachsene will ihn bekehren oder verlangt von ihm, sofort Einsicht zu zeigen, dann geht das Kind schnell auf KONFRONTATIONSKURS .
In vielen elterlichen
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