Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhoert und wie Sie zuhoeren, damit Ihr Kind redet
wieder weg. »Weißt du, das ist aber zu schade!«, erklärt sie dem verdutzten Julian. Der schweigt, schaut sie nur mit funkelnden Augen an und tritt kurzentschlossen mit dem Fuß gegen Annalenas fantasievolles Bauklotzgebilde. Alles stürzt zusammen. Annalena weint, und Julian verschränkt trotzig seine Arme.
Die Mütter greifen ein. Julians Mutter ermahnt ihren Sohn: » Julian, das war nicht nett!« Julian will nachtreten. »Nein, Julian, nein!«, wiederholt sie.
Julian taxiert seine Mutter. »Nein, Julian!«, erklärt sie bestimmt. Julian schmiegt seinen Kopf in ihren Schoß, und die Mutter streicht ihm liebevoll über die Haare.
Annalenas Mutter versucht, ihrer Tochter die Situation zu erklären: »Schatz, Julian will auch spielen. Jetzt sei doch mal vernünftig und gib ihm ein paar Bauklötzchen ab.« Annalena schüttelt entschlossen den Kopf: »Zu schade!« Ihre Mutter kniet sich vor sie hin, nimmt sie bei den Händen und schaut ihr in die Augen. »Annalena, du bist doch schon groß. Du verstehst das, du bist ja meine Vernünftige. Weißt du, Julian freut sich bestimmt, wenn ihr zusammen eine Burg baut. Zusammen macht das auch viel mehr Spaß. Und du hast noch ganz viele Klötzchen, da kannst du Julian doch welche von abgeben.« Annalena überlegt kurz, dann sammelt sie so viele Klötzchen ein, wie sie tragen kann und legt sie Julian vor die Füße. »Aber nicht kaputt machen.«
Julian schüttelt den Kopf und stapelt die ersten Klötze aufeinander.
Hausgemachte Unterschiede
Die Geschichte mit Annalena und Julian zeigt einen wichtigen Unterschied in der geschlechtstypischen Kommunikation: Mütter reden mehr und anders mit ihren Töchtern als mit ihren Söhnen. Da Jungen Sprache weniger effizient nutzen, wenden sich Mütter ihnen auch weniger zu und resignieren schneller. Mädchen hingegen werden von ihren Müttern in den sprachlichen Kompetenzen stärker unterstützt, was AUSWIRKUNGEN AUF DIE SPRACHENTWICKLUNG hat – und damit auch auf die Aktivierung der linken Gehirnhälfte, dem Sitz des Sprachzentrums. So vermengen sich die neurologischen Anlagen mit dem erzieherischen Verhalten, was zur Folge hat, dass die Stärken der Mädchen gefördert und die Schwächen der Jungen übersehen werden. Dieses Verhalten bevorzugt Mädchen und benachteiligt Jungen.
Von Raufbolden und Zicken
In einem Kindergarten, morgens um halb neun. Noch ist die Welt hier in märchenhafter Ordnung, denn heute ist der Tag der Ritter und Prinzessinnen. Saskia, Lilli und Alina spielen eine »Prinzessinnenhochzeit«. Noch sind sie damit beschäftigt, sich als Prinzessin zu verkleiden. Das klappt wunderbar, eine hilft der anderen, und die Stimmung ist gut.
In der anderen Ecke des Raums geht es mehr um den Kampf der Ritter gegen feindliche Angreifer. Noah, Mario, David und Sven sind dabei, eine Ritterburg aufzubauen. Da kommt Mirko dazu. Er kommt heute zu spät, dafür hat er aber eine Überraschung dabei: ein Ritterschwert aus Plastik, das jedes Jungenherz höher schlagen lässt. Und gleich wird Mirko selbst zum Ritter und präsentiert den anderen voller Stolz mit gekonnten Lufthieben sein Schwert. Mirko ist sofort der Star, jeder will das mit dem Schwert auch ausprobieren. Zunächst darf Noah das wertvolle Stück mal in die Hand nehmen und einige Lufthiebe machen. Mario, David und Sven bedrängen derweil Mirko, weil jeder von ihnen der Nächste sein will. Als sich Mirko für David entscheidet, sind Mario und Sven sauer, beschimpfen Mirko als »Blödi« und beginnen, ihn unsanft zu stubsen.
»Ihr Arschlöcher, lasst das!«, wehrt sich Mirko, und Noah und David stehen ihm bei.
»Selber Blödis!«, beschimpfen sie die Angreifer. Weitere Schimpfworte machen die Runde, Boxhiebe folgen und schließlich endet alles in einer handfesten Rauferei.
Damit stehlen sie den drei Prinzessinnen Lilli, Saskia und Alina total die Show. Denn die sind inzwischen fertig verkleidet mit Diadem und Schleier. Aber wer darf nun die Braut spielen, und wo bekommen sie den Bräutigam her? Ein Blick auf die raufenden Jungs macht ihnen klar, dass von dieser Seite keine Unterstützung zu erwarten ist.
»Ich will die Braut sein«, erklärt Lilli bestimmt.
»Nein ich!«, protestiert Saskia.
»Ihr seid so gemein!«
Alina wäre zwar auch gern die Braut, aber das traut sie sich in diesem Moment schon gar nicht mehr zu sagen. Stattdessen kommt nur ein zaghaftes »Und was soll ich machen?« über ihre Lippen.
»Du kannst meine Schleppe tragen«, schlägt Lilli vor.
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