Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
mal ganz frech die Kastelruther Spatzen. Da gilt es, das Geld beisammen zu halten. Und die Alten erzählen von den Zeiten, als Bankchefs ihren Geburtstag noch bei der kürzlich (nach 17 Jahren) freiwillig zurückgetretenen Bundeskanzlerin Frau Merkel im Büro feiern durften. Oder davon, dass es mal Zeiten gab, in denen Computer automatisch Handel betrieben und in Mikrosekunden irre Geld hin- und herschubsen konnten. Ganz ohne Menschen. Irre, oder? Bis halt damals, 2007, die ganz große Krise kam. Und die Banker ihren Bonus verloren.
Manchmal erzählt Opa noch die Geschichte, wie Erna dachte, sie würde reich und bald in die Südsee auswandern, weil sie auf Rat eines ganz netten Schauspielers das Wertpapier der Telefongesellschaft gekauft hatte – nachdem sie kurz vorher ihre malaysische Anleihe abstoßen musste. Die Kinder staunen. Telefon? Wozu brauchte man das? Danach hat Erna nie wieder Aktien gekauft.
Vor fünf Jahren haben die ersten Solarkonzerne begonnen, in die Türme an der Frankfurter Taunusanlage zu ziehen. Auf den Glasfassaden stehen jetzt nicht mehr die Logos von Banken, sondern von Konzernen mit grünen Blättern und Sonnenblumen, die nun sehr viele Büros brauchen, um die vielen Mitarbeiter unterzukriegen, die am neuen deutschen Energiewendewunder arbeiten. In den größten Turm, da, wo einmal der VEB Commerzbank residierte, ist vor ein paar Jahren der Weltklimarat gezogen. Daneben steht das Hochhaus der Europäischen Bankenunion (EBU), die jetzt darüber wacht, dass nicht wieder Kredite vergeben werden, um damit Kredite zu schaffen.
Gleich daneben stehen die Türme der Forschungszentren, die im Auftrag der Autobranche darum konkurrieren, wasserstoff- oder elektrogetriebene Fahrzeuge durchzusetzen. Seit der Bankenwende sind in Deutschland ein paar Hundert Milliarden Euro in grüne Investitionen umgeleitet worden. Seitdem gibt es neue Stromtrassen, und die Massensanierung von Gebäuden hat der Wirtschaft einen regelrechten Boom beschert. Seit mit Finanzgeschäften kaum mehr Rendite zu erzielen ist, erleben auch diejenigen einen Aufschwung, die sich darauf spezialisiert haben, gespartes Geld direkt in Investitionen für den Klimaschutz umzulenken. Und täglich kommen Besuchergruppen aus Japan, China und USA, die das kleine Wunder studieren und wissen wollen, wie man so einen Bankenausstieg organisiert.
Erstmals seit drei Jahrzehnten legten die Normaleinkommen wieder deutlich stärker zu als die Vermögen, meldet das Statistikamt. Die Wirtschaft wächst dank Klimaboom und ausgeglicheneren Verhältnissen stärker als vorher. Und die Arbeitslosigkeit fällt – wobei mittlerweile auch alle früheren Investmentbanker ordentliche Jobs gefunden haben. Manche Ingenieure, die ganz früher für HedgefondsRisikomodelle berechnet hatten, sind einfach sitzen geblieben – und forschen an neuen Autos oder Stromanlagen. Selbst die Schuldenuhr tickt erstmals wieder rückwärts – weil die Banken nur noch für solche Projekte frei Kredit vergeben dürfen, die realwirtschaftlich für Mehrwert sorgen und bei denen das Geld auch zurückgezahlt werden kann.
Hin und wieder meldet sich das Amt für Außenverkehr mit den neuen Umtauschkursen für Devisen. Und gelegentlich gibt es Meldungen, dass der Internationale Währungsfonds intervenieren musste, weil es beim Handel von Rohöl noch mal Anzeichen für spekulatives Überschießen der Kurse gab. Und dann melden die EBU-Verantwortlichen, ob es Hinweise auf übermäßige Kreditvergabe gibt, worauf dann die Eigenkapitalquoten von üblicherweise 30 Prozent ausgeweitet werden. Eine Blase? Eine Finanzkrise? Eine Bankenrettung? Hat es lange nicht gegeben.
Schöne neue Welt. Und gar nicht so fern.
Literatur
Die wichtigsten Quellen für den Bankenausstieg sind mit einem * gekennzeichnet.
Adrian, Tobias; Hyun Song Shin, »Liquidity, Monetary Policy, and Financial Cycles«, Current Issues in Economics and Finance, Federal Reserve Bank New York, Januar/ Februar 2008
*Akerlof, George; Shiller, Robert, Animal Spirits. Wie Wirtschaft wirklich funktioniert , Campus, 2009; Original: Animal Spirits: How Human Psychology Drives the Economy and Why It Matters for Global Capitalism , Princeton University Press, 2009
Bernoth, Kerstin, et al., »Grüne Investitionen in einem europäischen Wachstumspaket«, DIW-Wochenbericht 25, 20. Juni 2012
*Bezemer, Dirk, »Finance and Growth: When Credit Helps and When It Hinders«, Paper zur Jahreskonferenz des Institute for New Economic Thinking
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