Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Vermögen seit Anfang der 80er Jahre fast vervierfacht. Und: Je stärker dank Finanzglobalisierung die ohnehin hohen Einkommen zulegten, desto stärker war das Gesamteinkommen im Land bei Leuten konzentriert, die von jedem zusätzlichen Euro oder Dollar nur noch einen kleinen Teil ausgeben – und ihr Geld stattdessen wieder anlegen, um damit noch mehr Geld zu machen (und de facto neue Vermögenspreisblasen generieren).
Dieses Phänomen hat die Konsumdynamik in Zeiten der Finanzglobalisierung stark geprägt. Nach Schätzung der Bundesbank lässtsich ein nennenswerter Teil des Anstiegs der durchschnittlichen deutschen Sparquote von neun Prozent 2000 auf 11,5 Prozent 2004 darauf zurückführen, dass die oberen Einkommen schneller wuchsen: immerhin 0,4 Prozentpunkte – was einem Ausfall von Konsumausgaben in Milliardenhöhe gleichkommt. Die Reichen kauften vom vielen Geld zwar viele Porsches und Cartier-Uhren, legten den größeren Teil aber beiseite, gaben ihn also nicht aus. Die Finanzglobalisierung hat so ganz offenbar dazu beigetragen, dass im Land weniger stark konsumiert und relativ mehr gespart wurde – obwohl es genug Leute gibt, die gern mehr konsumieren würden, die sich das aber nicht leisten können.
Damit blieb jener Wachstums- und Wohlstandseffekt aus, den höhere Einkommen normalerweise haben sollten, denn sie werden ausgegeben und sorgen für mehr Umsatz. Schlimmer noch: Weil es mangels Nachfrage auch weniger reale Ausgaben und Wirtschaftswachstum gab, als es bei gleicher verteilten Einkommen der Fall gewesen wäre, schwand der Anreiz für die Einkommensprofiteure, ihr überschüssiges Geld in reale Investitionen zu stecken – und damit die reale Wirtschaft anzutreiben. Warum auch, wenn die Finanzglobalisierung den Reichen so viele schöne Möglichkeiten bot, ihr Geld über Nacht vermehren zu lassen?
In Deutschland hat die Konsumdynamik trotz boomender Vermögen in den vergangenen drei Jahrzehnten tatsächlich stark nachgelassen. Was nicht nur, aber auch an der Finanzsause gelegen haben dürfte. Dafür wurde die Wirtschaft seit 2000 auf immer atemberaubendere Art vom Verkauf in den Rest der Welt abhängig. Im Jahr 2011 erreichte die Exportquote, gemessen an unserem Bruttoinlandsprodukt, mehr als 50 Prozent. Man kann es auch so formulieren: Die Deutschen ließen sich ihren Wohlstand zunehmend dadurch finanzieren, dass andere Nationen Geld ausgaben – und sich dafür oft mächtig verschuldeten.
Die USA wählten aus dem zunehmenden Verteilungsdilemma mehr oder weniger bewusst einen anderen, ebenso tückischen Ausweg. Auch dort lagen die realen durchschnittlichen Haushaltseinkommen Ende der 2000er Jahre niedriger als zehn Jahre zuvor, obschon sich die Finanzvermögen vervielfacht hatten. Nur wurden dieVerlierer dieses Prozesses dazu animiert, dies auf Kredit auszugleichen. Stichwort: Subprime-Immobilien. Mit dem Ergebnis, dass die Amerikaner monatlich irgendwann im Schnitt mehr ausgaben, als sie verdienten, um ihren Konsum einigermaßen halten zu können. Wobei es in dieser Zeit in den USA gar keinen außergewöhnlichen Konsumboom gab – es ging nur darum, Einbußen zu verhindern. Auch das erwies sich auf Dauer als wenig tragfähig. Die Krise 2007 begann mit den Folgewirkungen des Platzens der Subprime-Blase. Im deutschen wie im US-Fall ist das Grundproblem das gleiche.
De facto steckt dahinter ein schizophrener Effekt der Finanzglobalisierung. Zum einen ließen rasant steigende Banken- und Vermögenseinkommen bis zur Krise die Blase immer gefährlicher wachsen. Zum anderen schwächelte die Realwirtschaft mangels Masseneinkommen (wozu natürlich auch der Lohnverzichtsdruck wegen der Billigkonkurrenz aus dem Osten beitrug).
Ein Dilemma. Normalerweise hätten hohe Einkommenszuwächse über eine entsprechend bessere Konjunktur zu steigendem Inflationsdruck in der Realwirtschaft führen müssen, wie es früher der Fall war. Worauf die Notenbanker wie üblich mit höheren Zinsen reagiert hätten. Diesmal führten die Gehaltsexzesse zu noch mehr Finanztreiben und via Vermögenspreisblasen zu noch mehr Vermögensinflation, während die Preise im realen Leben mangels Hochkonjunktur kaum zulegten. Über diesen schizophren wirkenden Mix lässt sich auch erklären, warum die Inflation der Verbraucherpreise trotz Niedrigzinsen in Zeiten der Finanzexpansion historisch mäßig blieb.
Entsprechend groß wurde durch dieses Auseinanderdriften von realer und finanzieller Inflation das Dilemma jener Notenbanker,
Weitere Kostenlose Bücher