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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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virtuellen Vermögenswerte – mit dem Nachteil, dass die Kredite und Schulden bleiben, die zur Finanzierung vorher aufgenommen wurden, so Bezemer. Irgendwer muss diese Fehlbeträge auffangen, um eine deflationäre Spirale zu verhindern, wie es sie nach Platzen der Vermögensblase 1929 gab – und bei der plötzlich alle gleichzeitig versuchen, die eigenen Schulden loszuwerden. Was (mit-)erklärt, warum es nach dreißig Jahren Finanzglobalisierung zeitgleich sowohl rekordhohe Vermögen als auch rekordhohe Staatsschulden gibt. Doch kein Zufall.
    Jetzt wird auch klarer, warum die Finanzkrise 2007 so viel grandiosere wirtschaftliche Schäden hinterlassen hat als mancher Aktienabsacker davor: weil im Trend seit den 80er Jahren immer mehr Vermögen von relativ Wenigen aufgebaut werden konnte und dieBanken sich gegenseitig immer mehr verschuldeten – in dem Maße, in dem auch die virtuellen Vermögenswerte stiegen. Mit jedem weiteren Vermögensanstieg wuchs wegen der zunehmenden Loslösung von der Realwirtschaftswelt das Rückschlagpotenzial. Mit jedem Zuwachs der Verschuldung stieg parallel dazu der potenzielle Schaden, den das Platzen der Blase über die Verschuldungskette mit sich bringen würde. Ergebnis: ein maximaler Crash bei maximaler Kollateralwirkung. »Die aktuelle Krise ist so folgenschwer, weil so viele Finanzgeschäfte vorher auf Kredite finanziert worden war«, sagt der Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick. Das sei beim Aktiencrash 1987 und selbst in der New-Economy-Krise noch ganz anders gewesen.
    Wenn das stimmt, wirken auch so manche Krisenrezepte absurd. Dann bringt es zur Lösung wenig, Staatsschulden abzubauen, indem man bei denen kürzt und Steuern erhöht, die vorher gar nicht die Mittel hatten, um an einer Vermögensblase zu verdienen, die de facto zu den gravierenden Schuldenproblemen überhaupt erst geführt hat.
    Die wahre Geschichte von der großen Finanzkrise
    Als Ende Juli 2007 das Desaster begann, dauerte es nicht lange, bis die ersten Deutungen kursierten, wonach die Krise einen einfachen Grund habe: das viel zu billige Geld. Weil die Zinsen immer wieder gesenkt worden seien, sei es einfach geworden, sich zu verschulden. Und weil bei jedem Platzen einer Blase die Zinsen wieder gesenkt wurden, sei das Problem nie behoben worden. Der Schluss scheint nahe zu liegen: Dann müssen zur Lösung die Zinsen rauf. Punkt. Eine Forderung, die begreiflicherweise gern auch von Sparkassenverbandschefs propagiert wird.
    Jetzt liegt die Theorie von den wandernden Blasen auf den ersten Blick nahe. Natürlich sind die Notenbanken nach jedem Aktiencrash und jeder Asienkrise und jedem New-Economy-Sturz zu Hilfe geeilt und haben ihre Leitzinsen gesenkt. Und natürlich können niedrige Zinsen dazu animieren, mehr Kredit aufzunehmen als sonst. Nursenken niedrige Zinsen natürlich auch den Zinsdienst, machen den Schuldenabbau einfacher. Was nach dem Platzen von Finanzblasen nicht ganz unwichtig ist, wie die historische Erfahrung zeigt. In den 30er Jahren hat das Platzenlassen der Blase bei unveränderten Zinsen für noch mehr Pleiten und Kürzungen und Kreditausfälle gesorgt; da drehte die Finanzwelt prozyklisch nach unten und zog den Rest der Wirtschaft mit in eine folgenschwere Depression.
    Die Frage ist, ob die niedrigen Zinsen tatsächlich das Urproblem sind. Würden Hedgefonds keine Jagd mehr nach zweistelligen Renditen machen und dafür Kredite aufnehmen, wenn die Zinsen für Kredite ein oder zwei Prozentpunkte höher lägen? Wäre es nicht immer noch lohnend, einen Kredit für, sagen wir, 5 Prozent aufzunehmen, wenn man beim Wetten am Finanzmarkt noch 8 oder 10 Prozent Rendite bekäme? Gäbe es mit ein bisschen mehr Zinsen wirklich keine fatalen Herdentriebe, keine Prozyklik und keine Blasen mehr? Zumindest zweifelhaft.
    Eine andere Lektüre der Krise könnte sein, dass in den historisch niedrigen Zinsen nicht die Kernursache stetig neuer Finanzblasen steckt, sondern ein Krisensymptom. Vielleicht sind die Billigzinsen sogar das eklatanteste Anzeichen dafür, wie fatal Herdentriebe, Einkommensgefälle und andere Begleiterscheinungen der Finanzglobalisierung gewirkt haben.
    Wenn Einkommen und Vermögen so dramatisch auseinanderdriften, hat das offenbar auch einen makroökonomisch gravierenden Begleiteffekt mit sich gebracht: eine sich tendenziell abschwächende Dynamik in der Realwirtschaft – so kurios das erstmal erscheinen mag. In Deutschland haben sich die Erträge aus Unternehmenstätigkeit und

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