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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Nach Auswertungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer großen Wiederholungsbefragung, hielten die zehn Prozent Reichsten in Deutschland bei Ausbruch der Finanzkrise 2007 gut zwei Drittel des gesamten Nettovermögens – also aller Vermögen abzüglich der Verschuldung. Die (ärmere) Hälfte der Deutschen kam per Saldo auf Null.
    Piketty und Saez vermuten, dass über die enormen Zuwächse bei den Bankern auch insgesamt die gesellschaftliche Aufregungsschwelle beim Thema gesunken sei. Fortan langten auch Industriebosse tendenziell stärker zu, was das Gefälle noch verstärkte.
    Nimmt man höhere Branchengehälter und Vermögenseffekte zusammen, dürfte es in Deutschland einen ziemlich gewichtigen und zugleich exklusiven Club von Leuten geben, die durch die Finanzglobalisierung sehr reich wurden – und eine große Mehrheit, die weder in der richtigen Branche noch zum rechten Moment am Aktienmarkt waren. Es dürfte eben kein Zufall sein, dass die Einkommen gerade inden Mutterländern der Finanzliberalisierung am dramatischsten auseinander gedriftet sind: in den USA und Großbritannien.
    Gerade dort haben die Zweifel an den Segnungen hoher Einkommensunterschiede in den vergangenen Jahren am stärksten wieder zugenommen. Als Ronald Reagan und Margaret Thatcher antraten, galt als Leitmotiv, dass die Abstände nicht schnell genug wachsen konnten, weil nur so endlich Anreize entstünden, mehr zu leisten. Heute werben in Großbritannien selbst konservative Politiker wie David Cameron wieder damit, dass es mehr Gemeinsinn geben müsse.
    Wenn Gehalts- und Bonusforderungen de facto vor allem durch ein virtuelles Hochschaukeln von Kursen und Renditen an den Märkten finanzierbar sind, steckt dahinter alles, nur kein Mehrwert, nichts Produktives, wie es nötig wäre, um solche Einkommenszuwächse ökonomisch wie gesellschaftlich zu legitimieren. Dann steigen die Gehälter, weil es eine leicht autistisch getriebene Aufblähung einer Branche gibt, eine Blase. Nicht weil ein Banker tatsächlich hundertmal mehr an Mehrwert schafft als eine Krankenschwester. Dann heißt das auch, dass – wie geschehen – jahrelang Mittel in eine ökonomisch nicht so recht nachvollziehbare Richtung gesteuert wurden. Mit der Folge, dass in den USA und anderswo etliche hochqualifizierte Ingenieursabsolventen aus den Eliteunis nicht mehr in Industrie und Forschung gingen, sondern bei Hedgefonds anheuerten, um da, angelockt von Mondgehältern, mathematische Risikomodelle zu entwickeln.
    Als entsprechend absurd erweist sich heute das Versprechen, die schöne Finanzglobalisierung werde dafür sorgen, dass es mehr Wohlstand für alle gibt. Nach Umfragen haben rund die Hälfte der Privathaushalte in Deutschland eine Sparquote von Null – sprich: Da bleibt im Monat ohnehin nichts, was die Betreffenden in der Wunderwelt der Finanzen arbeiten lassen könnten. Da kommt dann auch beim Schlafen nichts dazu.
    Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Nach neueren Studien hinterlässt das enorme Einkommensgefälle zunehmend messbare Schäden. Die britischen Wissenschaftler Kate Pickett und Richard Wilkinson haben in ihrem Buch Gleichheit ist Glück etlicheBelege dafür zusammen getragen, wie sehr das Reich-Arm-Gefälle mit sozialen und gesundheitlichen Problemen in den betreffenden Ländern einhergeht. Dazu später mehr. Studien von Verhaltensökonomen lassen zugleich vermuten, dass die Anreizwirkung hoher Einkommen und Zuschläge überschätzt wird – in Wirklichkeit wirkten Boni »oft kontraproduktiv«, sagt Gert Wagner, Chef des SOEP. Schon deshalb, weil die Betreffenden spätestens gegen Jahresende viel Zeit damit verbringen, immer wieder auszurechnen, was der aktuelle Aktienkurs für die Höhe des eigenen Bonus bedeutet.
    Darauf lassen auch Studien von Thomas Philippon schließen, wonach Bankdienstleistungen trotz all der neuen Technologien in den vergangenen Jahrzehnten nicht günstiger geworden sind und die Beschäftigten der Finanzbranche demnach offenbar nicht effektiver arbeiten als früher. Wer schon mal seinen Dispo leicht überzogen hat, ahnt, was damit gemeint ist. Philippons Vermutung: »Da verbringen Investmentbanker viel Zeit mit dem Hin- und Herschieben von Geld, ohne viel Mehrwert.«
    Die scheinbar wunderbare Vermehrung der Vermögen birgt noch eine zusätzliche große Tücke. Denn: Jedem Vermögenszuwachs, der bei dem einen positiv zu Buche schlägt, stehen per Definition als notwendigem Gegenpart höhere Verbindlichkeiten eines

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