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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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ermutigend. Im Falle Syrien haben die Erörterungen im Weltsicherheitsrat bisher leider zu keinem positiven Ergebnis geführt.
    Â 
    Sie glauben also an einen Aufschwung der Menschenrechte – und zwar international?
    Â 
    Dass sich der Weltsicherheitsrat bei seinen Begründungen auf den Schutz der Menschenrechte stützt, das finde ich jedenfalls hoffnungsvoll.
    Â 
    Ihrer Meinung nach haben wir somit die Möglichkeit einer echten positiven Veränderung?
    Â 
    Ja. Nach den genannten Ereignissen kann wirklich eine neue Epoche beginnen, wobei ich natürlich nicht in der Lage bin, die weitere Entwicklung im Einzelnen vorauszusagen. Es kommt darauf an, wie wir alle mit dieser Chance umgehen und dass sich alle im Klaren sind, dass es eine solche ist.
    Ganz leise füge ich noch hinzu: Diese ganzen Veränderungen zeigen auch, dass wir Menschen in bestimmter Hinsicht an unsere Grenzen gelangt sind. In technischer Hinsicht haben wir es schon erörtert, aber auch was das Wachstum angeht, haben wir Grenzen erreicht. Allmählich wird dies den Menschen bewusst. Die neuesten Entwicklungen sind somit auch eine Chance, unsere Lebensbedingungen
insgesamt zu ändern. Damit sind nicht nur die eigenen gemeint – wir sind ein ganz kleiner Teil, wir machen gerade 1,3 Prozent der Weltbevölkerung aus –, sondern die der gesamten Menschheit. Diese ist nicht mehr nur ein abstrakter Begriff, mit dem man sich in edlen Stunden beschäftigt, sie ist auf einmal ganz konkret geworden.
    Â 
    Wie meinen Sie das?
    Â 
    Es gibt immer weniger Vorgänge, bei denen man sagen kann: Das betrifft uns doch überhaupt nicht. In Goethes Zeiten gab es nichts Schöneres, als an Sonn- und Feiertagen vor den Toren der Stadt zu promenieren und ein Gespräch über Krieg und Kriegsgeschrei zu führen, »… wenn hinten fern in der Türkei die Völker aufeinander schlagen«. So schildert es Goethe im Faust in seinem berühmten »Osterspaziergang«. Auch Kriege in der »Ferne« sind heute für uns regelmäßig Ereignisse, die auch uns angehen. Und weil Sie von Flüchtlingen gesprochen haben: Wenn wir die Kluft zwischen den Lebensverhältnissen der Menschen in weiten Teilen der Welt und unseren Lebensverhältnissen weiter anwachsen lassen, wenn wir die Klimakatastrophe nicht abwenden, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich Millionen von Menschen gerade in Richtung Europa in Bewegung setzen. Sie können ja inzwischen auch im Fernsehen täglich sehen, wie wir leben.
    Â 
    Diese sehr schnellen Entwicklungen im arabischen Raum, die auch etwas mit der Kommunikationsveränderung zu tun haben, mit dem Internet, das die Dinge beschleunigt, lassen, ich sage es mal vorsichtig, die Politiker nicht alt, aber etwas langsam aussehen. Kann man von ihnen mehr verlangen, als nur auf die Entwicklungen zu reagieren? Sollte man von ihnen auch fordern, dass sie Orientierung geben, selbst in solch beschleunigten Zeitabläufen?
    Â 
    Ja, das sollte man. Es ist gut, wenn politisch Verantwortliche ihre Arbeit in dem Sinne tun, dass sie mit der Entwicklung Schritt halten und dass sie zu vernünftigen Lösungen kommen, aber sie sollen auch Orientierung geben. Ein gutes Beispiel dafür war die Ostpolitik von Willy Brandt. Und in der Frage des Atomausstiegs
haben die Grünen und die SPD weiß Gott auch Orientierung gegeben. International fällt mir zur Klimafrage als Beispiel Al Gore ein.
    Â 
    Der leider nicht amerikanischer Präsident geworden ist.
    Â 
    Ja, leider.
    Â 
    Es ist also keine Überforderung der Politiker, ihnen zu sagen: »Wir möchten, dass ihr nicht nur verwaltet, sondern dass ihr uns Orientierung gebt«?
    Â 
    Das ist keine Überforderung. Es muss erkennbar gemacht werden, woran Politiker sich orientieren, und man muss die Kriterien benennen können, an denen sie sich selbst messen. Daran sollen sie dann auch von den Bürgerinnen und Bürgern gemessen werden.
    Â 
    Sie selbst sind als Jurist in den Politikerberuf gekommen. Wo hatten Sie am Anfang Ihre größten Lücken? Wo hatten Sie das Gefühl, dass Sie nicht auf der Höhe sind und nacharbeiten müssen?
    Â 
    Eine deutliche Lücke hatte ich im wirtschaftlichen Bereich und auch in der Finanzpolitik. Wenn ich das Stichwort »Umwelt« nenne, dann war das eine Lücke, die ich anfangs mit meiner ganzen Generation geteilt habe. Noch bis in die sechziger Jahre hinein

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