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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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in Panik geraten kann, ist
Volker an ihrer Seite, der aufmerksame Volker mit Taschenlampe, der,
wenn es spät geworden ist, ein ums andere Mal anbietet, sie
heimzufahren oder zum Auto zu begleiten, obwohl er nicht nur mit
ihrer Ablehnung, sondern auch mit Spott rechnen muss.
    Â»Hast du eine Verabredung, Engel?«
    Â»Nein.«
    Â»Hey!« Er richtet den Lichtstrahl auf die Gestalt am
Auto. Ein bekanntes Gesicht. Volker schaltet vor ihr, spricht den
Namen aus, als sie noch danach sucht. Aaron.
    Wie begrüßt man sein Kind, wenn es einem zur
Schlafenszeit am Auto auflauert, nachdem man lange, zu lange nichts
voneinander gehört hat, weil es beim Vater lebt? Wenn man
ausgerechnet in dieser Situation – die der Vater vermutlich zu
Recht als krank bezeichnen würde – feststellen muss, dass
das Kind keines mehr ist, was sagt man dann? Bist du aber groß
geworden? Guten Abend? Oder: Was, zur Hölle, hast du hier zu
suchen?
    Â»Was, zur Hölle, hast du hier zu suchen?«
    Â»Guten Abend, Aaron«, sagt Volker.
    Â»Hi. Cooles Konzert.«
    Â»Ich hab dich was gefragt.«
    Â»Dich suche ich hier. Wen sonst?« Er steht ihr im Weg,
reglos gegen die Fahrertür gelehnt, gibt sich gelangweilt, aber
seine Nervosität ist nicht zu übersehen. Nervosität
und Ablehnung. Dass er Liv ablehnt, ist nicht neu, sie kann es ihm
nicht verdenken, alles andere wäre eigenartig. Doch
normalerweise bevorzugt er Ablehnung auf Distanz, begnügt sich
mit verächtlichen Bemerkungen am Telefon. Die seltenen Anrufe
sind kurz. Meistens will er Geld für irgendetwas, das seinem
Vater und dessen Frau, Aarons neuer Mutter, zu teuer ist. Liv
überweist die gewünschte Summe stets noch am gleichen Tag.
    Volker räuspert sich. »Tja, ich mach mich besser mal
vom Acker, ihr zwei. Gute Nacht. Vertragt euch«, sagt er und
geht.
    Sie schauen dem davon hüpfenden Strahl der Taschenlampe nach,
bis die Nacht ihn verschluckt.Am Himmel keine Sterne. In der Nähe
schlägt eine Autotür zu. Liv zieht ihren Schlüssel aus
der Tasche und öffnet per Knopfdruck die Zentralverriegelung.
Die Innenbeleuchtung geht an. Aaron rührt sich nicht. Zum
zweiten Mal an diesem Tag ist sie nicht sehr weit davon entfernt, die
Beherrschung zu verlieren.
    Â»Aaron, was soll das?«
    Â»Was soll was?«
    Â»Warum versperrst du die Tür? Steig ein. Es ist spät,
ich will nach Hause.«
    Â»Nimmst du mich mit?« Er klingt verzagt, für
einen Moment kehrt das Kindliche in sein Gesicht zurück.
    Was denkt der Junge bloß von ihr? »Natürlich. Ich
werde dich wohl kaum hier allein lassen.« »Bei dir weiß
man nie.«
    Sie schnaubt. »Du wirst deinem Vater immer ähnlicher.«
    Endlich macht er Platz. Liv schlüpft hinter das Steuer,
schaltet das Abblendlicht ein, lässt den Motor an und stellt die
Heizung auf Maximum, während sie wartet, dass der fremde Sohn
sich auf den Beifahrersitz bequemt. Doch er denkt nicht daran. Er ist
zu Fuß losgestapft. Sie haut auf die Hupe, vor Hilflosigkeit
und Wut zittrig. Keine Reaktion. Am besten lässt sie ihn ziehen,
um ihrer beider willen. Nein, unmöglich, er ist erst zwölf.
Oder dreizehn.Auf jeden Fall zu jung für nächtliche
Streifzüge durch die Stadt. Ohne den Motor auszuschalten, steigt
sie aus.
    Â»Komm sofort zurück.«
    Er beschleunigt seinen Schritt. Dieser Mistkerl. Es reicht. Sie
rennt zu ihm, packt sein Handgelenk. »Du steigst jetzt sofort
in dieses verdammte Auto.«
    Er will sich losreißen. Sie dreht ihm den Arm auf den
Rücken. Ihr Griff ist so fest, dass er aufjault. »Was,
wenn nicht?«, ruft er schrill. »Das willst du nicht
wissen,Aaron, das schwör ich dir.«
    Nach dem Frühstück ist es so sonnig, dass Fritzi
beschließt, an den Strand zu gehen. Sie spielt sogar mit dem
Gedanken, das Geschirr stehen zu lassen. Wer sollte sich daran
stören? Die Möglichkeit lähmt sie. In letzter Zeit
tauchen überall Fragen auf, wo ein Leben lang Ordnung und
Klarheit herrschte: Soll sie heute oder morgen Keksebacken? Ist es
wirklich nötig, Bettzeug und Unterwäsche zu bügeln,
und wozu muss eine Diele täglich gefegt werden, die kaum jemand
betritt, von Geistern abgesehen? Die vielen Handgriffe sind ermüdend,
das ungewohnte Nachdenken darüber ist es auch. Sie entscheidet
sich für den Abwasch, es ist ja nicht viel, die Kaffeetasse, ein
Messer und das

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