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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Fritten mit einem großen schwarzen Hund auf dem
Rücksitz teilt, den einsetzenden Nieselregen im fahlen Schein
der Straßenlaternen und am meisten sich selbst im Auto mit der
miesesten Mutter der Welt.
    Â»Weißt du,wenn es bei dir wirklich so gut läuft,
wie du sagst, ist es ziemlich dumm, das aufs Spiel zu setzen.«
    Er hört ihr nicht zu, starrt aus dem Fenster, als gäbe
es da draußen in der nasskalten Nacht unentwegt Großartiges
zu entdecken. Im Radio läuft jetzt Bruce Springsteen, eine
ältere Nummer.
    Â»Erklär mir das: Wenn ich Papa immer ähnlicher
werde, wieso glaubt er dann, dass ich wie du bin?«
    Â»Das tut er nicht wirklich«, sagt sie entschieden. »Es
ist einfach ein Versuch, sich bei Konflikten aus der Affäre
ziehen. Ich verstehe mein Kind nicht, also kommt es nach dem oder der
Ex. Ziemlich billig von uns beiden. Vergiss es. Du bist du. Basta.«
    Liv lässt den Motor an und setzt zurück. Er ist
enttäuscht. »Wir können noch nicht nach Hause. Ich
bin noch nicht satt.«
    Â»Bist du doch. Jedenfalls, was diesen Drecksladen hier
angeht. Und den anderen Hunger wirst du heute nicht stillen können.«
    Er will erst protestieren,überlegt es sich dann anders.
    Sie fahren.Obwohl sie seinen Wunsch abgeschlagen hat, wirkt das
Schweigen ihres Sohnes auf Liv etwas weniger feindselig als vor dem
Essen. Sie betrachtet ihn aus dem Augenwinkel. Wie er sich im Sitz
lümmelt, die entvölkerten Straßen im Blick, die Hände
ständig in Bewegung, das hat etwas Vertrautes. Möglicherweise
sind es nur Äußerlichkeiten. Dass er aussieht wie sie, hat
seinen Vater von Anfang an provoziert, während sie es geleugnet
hat.Als könnte sie ihn zu nah an sich heranlassen, wenn sie die
frappierenden Ähnlichkeiten anerkennt. Die sommersprossige Haut
hat er von ihr, das helle, feine Haar mit dem rötlichen Glanz,
die Feingliedrigkeit, die einem Jungen in der Pubertät eher zur
Last fallen dürfte. Zwar ist er in den vergangenen fünf
Monaten vom Kind zum Jugendlichen herangewachsen, doch er sieht
unverändert zart aus. Wie sie. Und wie bei ihr ist der Eindruck
von Zartheit offenbar trügerisch.
    Wird er ihre Entgleisungen wiederholen und irgendwann mit fünfzehn
morgens an einem Atlantikstrand vom Knirschen des Sandes zwischen den
Zähnen geweckt werden, voller Blessuren, ohne Geld und ohne jede
Erinnerung an die vorangegangenen Tage? Wird er folglich sein Abitur
an der Abendschule machen müssen und sich damit den Weg an die
besten Universitäten im Ausland verbauen, auf die ihr Exmann,
ein Oxford-Absolvent, ihn so gern schicken würde? Ist es
genetisch bedingt, wenn ein nächtlicher Stopp an einem
Fast-Food-Restaurant Assoziationen von Aufbruch und Grenzenlosigkeit
weckt?
    Â»Das nervt.« »Was denn?« »Wie du
mich anglotzt.«
    Liv biegt in das Neubaugebiet Bornkamp ein. »Was du nicht
sagst. Mich nervt deine unverschämte Art. Aber wir haben es ja
gleich geschafft.«
    Minuten später hält sie vor einem Einfamilienhaus.
Hundertsiebzig Quadratmeter norddeutsche Mittelmäßigkeit.
Roter Backstein, weiße Fensterrahmen, Buchsbäume im
Vorgarten. Aarons Vater und seine Frau haben vor zwei Jahren gebaut,
als ein viertes Kind unterwegs war.Ein Nachzügler, eigentlich
ungewollt, aber nun höchst willkommen, wie sie damals irgendwie
betreten versicherten, als ob es Liv zustünde, sich ein Urteil
über ihre Familienplanung zu erlauben. Zuvor hatten sie im
Gängeviertel gewohnt, sanierter Altbau, quasi in der
Nachbarschaft. Man war sich recht oft über den Weg gelaufen
.Aaron gedieh prächtig, was ihren Entschluss, auf das Sorgerecht
zu verzichten, als richtig bestätigte. Manchmal ist es nötig,
geradezu unverzichtbar, Lebensumstände zum Wohl aller
Beteiligten zu korrigieren. Aaron hatte es gut. Ein behüteter
kleiner Junge in einer heilen Familie. Kein Streuner. Er wird
bestimmt nicht abhauen. So wie er vorhin geflennt hat, fehlt ihm
dafür die Courage. Sie war da ganz anders in seinem Alter. Oder?
    Â»Alle schlafen«, sagt Aaron mit Blick auf die dunklen
Fenster. »Ich will niemanden wecken.«
    Â»Dann sei halt leise.«
    Â»Kann ich nicht doch mit zu dir?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Keine Chance.«
    Er öffnet die Wagentür. Die Luft riecht nach Humus,
verfaultem Laub und Regen. Mit dem Abschied geht es ihr wie mit der
Begrüßung, sie

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