Wiedersehen in Kairo
natürlich nicht drauf. Trotzdem ging ich zufrieden weiter.
Am Obststand traf ich Frau Brickwedel, meine Nachbarin. »Oh, guten Tag, wie geht es denn? Haben Sie bei diesem Wetter auch immer diese Kreislaufbeschwerden?«
Nein, hatte ich nicht. Ich nahm ein Päckchen türkische Feigen. Frau Brickwedel stieß einen spitzen Schrei aus. »Was? Sie unterstützen dieses Folterregime?«
Entsetzt ließ ich das Päckchen fallen. Frau Brickwedel war offensichtlich eine fortgeschrittene Konsumentin, denn besorgt fügte sie hinzu: »Außerdem sind die doch alle noch belastet von Tschernobyl.«
Ich bedankte mich für ihre Fürsorge und nahm tunesische Datteln. Fragend sah ich Frau Brickwedel an. Sie hatte keine Einwände.
Als ich gerade Äpfel aus dem Alten Land in meinen Einkaufswagen tat, fragte mich die Verkäuferin, ob ich denn die Bestrebungen Nelson Mandelas nicht unterstützen wolle?
»Doch, immer«, sagte ich.
»Na, weshalb kaufen Sie dann keine Äpfel aus Südafrika?«
Ich stammelte etwas von Apartheid und Boykott und wurde belehrt, dass das ein alter Hut sei. Inzwischen müsse man Südafrikas Wirtschaft unterstützen. Ich tat also die Altenländer Äpfel raus aus dem Korb, Johannisburger rein. Hatte da ein älterer Herr was gemurmelt? Also, ich hatte glatt verstanden, ich würde die deutschen Bauern schädigen. Man muss nicht immer hinhören. Ich jedenfalls wollte mir meine guten Taten nicht schlecht machen lassen.
Olivenöl aus Griechenland – ausgebeutete Oliven-Ernter? Davon hatte ich noch nichts gehört. Frau Brickwedel konnte ich nicht mehr fragen, sie war inzwischen zum Käsestand gegangen. Das Olivenöl kam in den Einkaufskorb. Neben mir sortierte ein blasser Jüngling spanisches Olivenöl in die Regale ein. Er warf einen Blick auf meinen Einkaufswagen und räusperte sich. »Äh – es geht mich ja nichts an, aber Öl aus Griechenland? Sie wissen doch, dass die Griechen die Serben mit Waffen beliefern. Gerade jetzt in der Bosnienkrise sollten wir …«
Verunsichert wies ich auf das Regal. »Aber Sie verkaufen doch …«
Er nickte sanftmütig. »Ein Restposten. Nehmen Sie lieber Spanisches.« Freundlich hielt er mir eine Flasche hin. Zögernd tauschte ich die Öle aus. »Sagen Sie, junger Mann, sind Sie sicher, dass dieses Öl nicht aus der Franco-Ära stammt?«
Er würdigte mich keiner Antwort.
Am Käsestand traf ich Frau Brickwedel wieder. Ich beobachtete sie heimlich, denn von gewissenhaften Konsumenten kann man ja nur lernen. Sie schien sehr wählerisch zu sein, also stellte ich mich neben sie und sagte: »Ja, ja, wer die Wahl hat, hat die Qual. Mögen Sie es eigentlich lieber mild oder etwas deftiger?«
»Ich liebe Käse«, begann sie gleich zu schwärmen. »Mild oder deftig, Hauptsache Käse, ist ja auch so gesund.«
Ich nickte beifällig und griff nach einem gut durchwachsenen Camembert. Ein Zucken ging durch ihren Körper, ihre Hand mit dem milden Gouda verharrte in der Luft. Sie starrte zuerst auf meinen Camembert und dann auf mich. »Ist würzig«, nuschelte ich und grinste verlegen, doch nach diesem Kriterium hätte ich nicht wählen sollen. »Sie kaufen französischen Käse? Ich muss mich schon sehr über Sie wundern, Frau Nachbarin. Oder haben Sie noch nichts davon gehört, dass Frankreich wieder seine Atombombentests aufnehmen will?«
Beschämt nickte ich. Wie hatte ich das vergessen können? Ich nahm einen milden Harzer.
Ab jetzt fühlte ich mich beobachtet. Daher kaufte ich Kartoffeln aus Mecklenburg, Marmelade aus Brandenburg, Gemüse aus den Vierlanden, aber auch einige Tomaten aus Holland, obwohl die nicht schmecken, aber man muss auch was für den europäischen Markt tun. An den Bananen schlich ich vorbei. Über die hatte ich auch nichts Gutes gehört, besser, man kaufte sie nicht. Ich betrachtete das übrige Obst und Gemüse. Was aus der EG kommt, durfte ich kaufen – wenn Frankreich nicht gerade testet –, aber welche Länder gehörten inzwischen dazu? Der Ostblock? Die Türkei? Norwegen? Verdammt, diese Bildungslücken. Und ich stand da mit meinem Einkaufswagen wie blöde. Ich sah Frau Brickwedel ganz in der Nähe an den Nudeln vorüberhuschen und entschied mich, gar nichts mehr zu kaufen. Diät ist immer gut.
Erschöpft, aber rechtschaffen strebte ich mit meinen Sachen dem Ausgang zu und überlegte, weshalb mir meine Nachbarin als Konsumentin so weit voraus war. Jetzt erst fielen mir die vielen Kunden auf, die während des Einkaufs in einem dicken Katalog
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