Wiedersehen in Kairo
Lippen. »Wir werden das allertreueste Paar sein, Liebster.«
Schönen Christopher-Street-Day!
Der fremde Junge
Perikles war schon seit zwei Tagen verschwunden. Manolis war überzeugt, sie hatten ihn weggejagt, weil er zu viel gefressen und gebellt hatte. Zu Hause war kein Platz mehr für seinen Hund, deswegen gab es auch für ihn dort keinen mehr. Zornige Entschlossenheit stand in seinem Gesicht. Er hatte einen Weg gewählt, den nur wenige gingen, denn er endete weit oben bei den verlassenen Schafhürden. Manolis hockte sich auf einen Stein, kramte verdrossen in seiner Tasche und holte einen krümelig gewordenen Käsefladen hervor. Gedankenverloren biss er ein Stück ab, kaute und stellte sich vor, wie seine Eltern ihn vergeblich rufen und alles nach ihm absuchen würden.
Geschieht denen recht
, dachte er,
denn Perikles ist bestimmt schon tot.
Dabei rollten ihm Tränen über das Gesicht, ohne dass er es merkte.
»Warum heulst du denn?«
Manolis erschrak, starrte den dürren Jungen vor sich an. Große Augen, hartes Gesicht und braune Haut.
Ein Türke
, vermutete er,
ein Bastard von den Arbeitern hinter den Tabakfeldern. Mit dem spreche ich nicht. Niemals. Kein Grieche tut das, der was auf sich hält.
Er machte eine weit ausholende, verächtliche Geste, die er seinem Vater abgeguckt hatte und die besagen sollte, dass der andere sich entfernen möge. Der braune Knabe aber übersah diese Bewegung. Seine Blicke gingen forschend über das Gesicht des Jungen, der schnell und verlegen die Tränen abwischte, und er fragte: »Hast du dich verlaufen?«
Manolis warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Nein. Was willst du von mir? Lass mich in Ruhe!«
Doch der andere blieb unbeeindruckt. »Du hast geheult. Ich habe es gesehen.«
»Ich heule, wann ich will.«
Der türkische Junge lächelte dünn und setzte sich neben Manolis in den Sand. »Ich heiße Kemal. Und du?«
Manolis schwieg.
»Bist du aus dem Dorf?«
Wie hartnäckig und aufdringlich er ist!
, dachte Manolis erbost. »Ich rede nicht mit Türken.«
»Warum nicht?«
Manolis rutschte unbehaglich auf seinem Stein hin und her. Er wäre gern weitergegangen, aber vielleicht würde der Junge ihm folgen. »Ihr Türken habt viele Jahre unser Land unterjocht«, gab er altklug zur Antwort, doch Kemal bohrte nur seine schmutzigen Zehen in den Sand, dann wandte er sein Gesicht Manolis zu. »Du bist dumm. Merkst du nicht, dass ich dir helfen will? Sag schon, warum du heulst.«
Manolis senkte den Blick. Es machte ihn ärgerlich, dass er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. »Ich heiße Manolis«, sagte er schließlich, »und ich heule aus Wut – natürlich! Mein Hund ist weggelaufen, und ich suche ihn.«
»Wie sah er denn aus – dein Hund?«
»Braun war er mit weißen Flecken und einer weißen Schnauze. Er heißt Perikles.«
Kemal nickte. »Ja, das ist klar, so ein Hund – mochtest du ihn sehr gern? Ich meine, so wie einen sehr guten Freund?«
Manolis sah Kemal erstaunt an. Woher wusste der, dass es sich genauso verhielt? »Ja, er ist mein allerbester Freund.«
Kemal schwieg, dann meinte er zögernd: »So einen Hund, braun, weiß gefleckt, also den habe ich gesehen. Ja, bei unserer Hütte lief so einer herum.« Kemal bemerkte Manolis’ hoffnungsvollen Blick. Er nickte bekräftigend. »Ja, ich möchte wetten, dass es dein Hund ist.«
Manolis sprang auf. »Dann lass uns doch mal nachsehen.«
Kemal zuckte die Achseln. »Können wir. Komm mit!« Und schon wandte er sich um und lief voraus. Manolis stolperte hinterher. Er schämte sich, als er, hinter Kemal hertrottend, an den ärmlichen Lehmhäusern vorbeiging. Kemal führte ihn zu einem abseits gelegenen Schuppen und winkte Manolis. Der kam misstrauisch näher. Kemal öffnete die Tür, und heraus schoss ein wolliges, geflecktes Bündel. Braun-weiß, aber nicht Manolis’ Hund. Freudig aufgeregt sprang er an den Beinen der Jungen hoch. Wütend und enttäuscht schob Manolis den kleinen Hund mit einem leichten Stoß beiseite. »Das ist nicht mein Hund.«
»Ich weiß«, sagte Kemal und hob den kleinen Hund auf. »Doch sieh nur, wie niedlich er ist und was für hübsche Augen er hat.«
Manolis jedoch fühlte sich heimtückisch in das schmutzige Türkendorf gelockt. Giftig zischte er zurück: »Ein hässlicher Köter ist er und außerdem – ein Türkenhund!«
»Ich dachte, du magst Hunde.« Kemals Stimme war plötzlich traurig, doch Manolis in seiner Verbitterung merkte es nicht. »Du wusstest es. Weshalb hast
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