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Wiedersehen in Virgin River

Wiedersehen in Virgin River

Titel: Wiedersehen in Virgin River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robyn Carr
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hatte.
    Einen Moment lang blieb er dort stehen. Er hatte keine fünf Sekunden gebraucht, um zu erkennen, dass jemand – mit neunundneunzig prozentiger Sicherheit ein Freund oder Ehemann – sie ins Gesicht geschlagen hatte, und dass sie sich mit dem Kind auf der Flucht vor ihm befand. Es war ja nicht so, als wüsste er nicht, dass solche Dinge vorkommen. So etwas passierte ständig. Was er jedoch einfach nicht verstehen konnte, war, welche Befriedigung ein Mann daraus zog, eine Frau zu schlagen. Für ihn ergab das überhaupt keinen Sinn. Wenn man eine hübsche junge Frau wie sie hatte, behandelte man sie doch anständig. Man sorgte dafür, dass sie bei einem blieb, und beschützte sie.
    Er ging in die Bar und löschte das Licht, warf einen Blick in die Küche und ließ dort eine Lampe an, für den Fall, dass sie herunterkam. Dann ging er in sein Apartment hinter der Küche. Nach ein paar Minuten fiel ihm noch ein, dass es oben keine sauberen Handtücher mehr gab, denn er hatte das Badezimmer dort leergeräumt und all seine Sachen nach unten gebracht. Also ging er ins Bad, nahm sich einen Stapel sauberer weißer Handtücher und begab sich wieder nach oben.
    Die Tür stand einen Spaltbreit offen, als wäre sie bereits in der Küche gewesen. Auf der Kommode neben der Tür sah er ein Glas Orangensaft stehen, und es gefiel ihm, dass sie sich selbst bedient hatte. Durch diese Öffnung von zwei bis drei Zentimetern sah er dann aber auch ihr Spiegelbild über der Kommode. Sie hatte sich mit dem Rücken zum Spiegel gedreht, das dicke Sweatshirt über Kopf und Schultern hochgezogen und versuchte, einen Blick auf ihren Rücken und die Oberarme zu werfen. Sie war übersät mit Prellungen. Er sah zahllose große Blutergüsse auf ihrem Rücken, dann einen auf Schultern und Oberarmen.
    Preacher war wie hypnotisiert. Einen Moment lang klebte sein Blick an diesen blauen Flecken, und mit angehaltenem Atem flüsterte er: „Ach Herrgott!“
    Schnell trat er dann aber von dem Türspalt weg und brachte sich außer Sichtweite. Er brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu fassen. Er war erschüttert, entsetzt und hatte nur einen Gedanken: Welches Tier ist zu so etwas fähig? Mit offenem Mund stand er dort und konnte es sich nicht vorstellen. Er selbst war ein Krieger, ein trainierter Kämpfer, und dabei ziemlich sicher, niemals einen Mann seiner eigenen Größe in einem fairen Kampf so stark verletzt zu haben.
    Instinktiv war ihm klar, dass er nicht zeigen durfte, dass er das gesehen hatte. Sie hatte schon jetzt vor allem Angst, ihn selbst mit eingeschlossen. Aber trotzdem war es eine Tatsache, dass sie keine Frau war, die sich mal eine Ohrfeige eingefangen hatte. Sie war verprügelt worden. Und obwohl er das Mädchen nicht einmal kannte, hatte er nur noch einen Wunsch, nämlich den Hurensohn zu killen, der ihr das angetan hatte. Erst fünf oder sechs Monate Prügel und dann Tod diesem armseligen Scheißer!
    Sie durfte nicht wissen, was er empfand; es würde sie zu Tode erschrecken. Also atmete er ein paarmal tief durch und beruhigte sich wieder. Dann klopfte er leise an die Tür.
    „Hm?“, hörte er sie. Es klang aufgeschreckt.
    „Nur ein paar Handtücher.“
    „Einen Moment, okay?“
    „Lassen Sie sich Zeit.“
    Gleich darauf öffnete sie die Tür ein wenig weiter. Ihr Sweatshirt war wieder an seinem Platz.
    „Ich hatte vergessen, dass ich alle Sachen aus dem Badezimmer rausgenommen hatte“, erklärte er. „Sie werden ein paar Handtücher brauchen. Jetzt lasse ich Sie in Ruhe. Ich werde Sie nicht wieder stören.“
    „Vielen Dank, John.“
    „Kein Problem, Paige. Schlafen Sie gut.“
    Vorsichtig und so leise wie möglich schob Paige die Kommode vor die Tür. Sie hoffte wirklich sehr, dass John es nicht hören würde, aber soweit sie wusste, befand sich direkt unter diesem Zimmer die Küche. Und dann – wenn dieser Mann ihr oder Christopher etwas antun wollte, hätte er das schon längst tun können, einmal ganz abgesehen davon, dass eine verschlossene Tür und eine leere Schlafzimmerkommode ihn sicherlich nicht daran hindern würden einzudringen.
    Sosehr sie sich jetzt gerne ein heißes Bad gegönnt hätte, sie fühlte sich viel zu schutzlos, um sich nackt auszuziehen. Nicht einmal zu einer Dusche konnte sie sich durchringen, denn vielleicht würde sie dann ja nicht hören, falls der Türknopf sich bewegte oder Christopher sie rief. Also wusch sie sich am Becken und zog sich saubere Sachen an. Anschließend ließ sie das

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