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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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den Augen. »Kein Wunder, dass sie wie die Fliegen sterben. Ah, ein Parkplatz.«
    »Ein Parkplatz frei«, verkündete Irina freundlich.
    »Hab ich selber gesehen«, gab Moon zurück und quetschte sich in die Lücke. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, fuhr sich mit den Händen durch ihre glänzende Haarpracht und nickte mir zu. »Auf in den Kampf.«
    »Militärische Phrasen sind verboten«, sagte ich, genauso automatisch wie Irina es getan hätte.
    »Ich weiß.« Moons lieblicher Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Aber heute ist mir danach, etwas Verbotenes zu tun.«
    »Warum?«, platzte ich heraus. Meine Freundin hatte zwar immer wieder solche Anwandlungen, aber plötzlich kam mir der Gedanke, heute könnte es einen konkreten Grund dafür geben, dass Moon so aufgekratzt war. »Ihr habt doch nicht … ich meine, du und Lucky …?«
    Sie schob sich die Sonnenbrille in die Stirn. »Was?«
    War es nicht Moon, die immer wieder betonte, Freundinnen sollten keine Geheimnisse voreinander haben? »Feierst du irgendwas Besonderes?«
    Sie boxte mich in die Schulter. »Ach, Pi, du bist mir eine!«
    Selbst durch die Wolke, die mich wie immer umgab, fühlte ich den scharfen Stachel der Sorge, es könnte tatsächlich wahr sein.
    »Du hast mit ihm geschlafen?«
    »Dummerchen. Nein, natürlich nicht.«
    »Aber … Ich meine, du bist doch der Traum eines jeden Jungen an der ganzen Schule. Und Lucky …«
    »Lucky lässt nichts anbrennen, ich weiß. Pi, wir haben keinen Grund zur Eile. Lucky und ich, wir werden unser ganzes Leben miteinander verbringen. Da können wir es doch ruhig angehen lassen, findest du nicht?«
    »Sicher.« Ich hätte gar nicht sagen können, warum ich so erleichtert war.
    Wir schlenderten an der Zentrale der Gesundheitsbehörde vorbei, die von zwei hübschen Männern in weißen Uniformen bewacht wurde. Sie winkten uns und pfiffen Moon hinterher. Selbstverständlich standen sie nur als schmückendes Beiwerk dort, denn der neue Mensch zerstörte nichts und griff auch niemanden an. Auch die attraktiven Beamten nebenan vor dem VDNM-Ministerium – eine Abkürzung, die für »Vergehen des neuen Menschen« stand – hatten kaum etwas zu tun. Das in dunkelgrünen Marmortönen gehaltene Gebäude, das seinen Schatten über den Platz warf, stand meistens leer. In Neustadt brauchten wir keine Gefängnisse. Was das war, hatten wir erst neulich im Geschichtsunterricht durchgenommen: Anstalten, in denen aggressive Menschen aus Sicherheitsgründen von der Gesellschaft ferngehalten werden mussten – kaum vorstellbar. Aus diesem finsteren Zeitalter waren wir längst hinaus. Die Wächter nahmen höchstens mal albern kichernde Jugendliche fest, die die Wände öffentlicher Gebäude mit zweifelhaften Kunstwerken beschmierten, und ließen sie nach ein paar Ermahnungen wieder frei.
    »Von-Kopf-bis-Fuß.«
    Moon blieb vor einem Schaufenster stehen und bewunderte die Modepuppen, die alle eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr aufwiesen. Kein Wunder – Dr. Peters Entwürfe waren in der ganzen Stadt verteilt, alle mit einem Schildchen versehen, von wem man sich das perfekte Gesicht zurechtschneidern lassen konnte.
    »Die da sieht fast so aus wie ich – dann müsste mir das, was sie anhat, ja wohl auch stehen.«
    Ich gab ihr recht. Mit mir würde die Verkäuferin jedoch noch Probleme bekommen. Wahrscheinlich würde ich zwanzig verschiedene Outfits anprobieren und kein einziges kaufen. Aber dafür würden Moon und ich nachher in einem hübschen Café sitzen und etwas Leckeres mit Eisgeschmack aus Strohhalmen schlürfen.
    »Was mir gerade einfällt«, sagte Moon plötzlich, »ist der Aufsatz. Wir haben vergessen, den Aufsatz zu schreiben.«
    »Stimmt.« Mir war das nicht so wichtig, meine Noten waren sowieso nicht die allerbesten, da ich meine Aufsätze immer irgendwie anfing und mich mittendrin im Thema verlor. Aber Moons Eltern erwarteten, dass sie Top-Leistungen erbrachte und nach dem Sommer in die Genie-Klasse wechselte. Wenn sie nicht so einen gefährlichen Hang zum Blaumachen gehabt hätte, wäre sie längst dort.
    »Wir beeilen uns«, bestimmte sie. »Und dann ab ins Café. Ein guter Ort, um eine Abhandlung zu schreiben, findest du nicht?«
    Ich stimmte ihr natürlich zu.
    Wie immer brauchte meine Freundin nicht lange, um sich zu entscheiden. Sie bezahlte, indem sie die Summe auf ihrem Tom eingab, und führte mich dann eilig nach draußen, wo sie aus irgendeinem Grund hysterisch zu kichern begann.

4.
    Nachher konnte ich mich kaum an

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