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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Knie anzuziehen und genügend Spielraum zu gewinnen, um ihre Beine zu befreien. Dann grub sie ihre Fersen in die Matratze, während sie sich gleichzeitig mit Armen und Schultern gegen den schlaffen Körper stemmte, der sie blockierte, und schließlich gelang es ihr, John gerade weit genug zur Seite zu rollen, daß sie sich unter ihm hervorwinden konnte, bevor er wieder zurückplumpste.
    Langsam kämpfte sich Juliana in eine sitzende Position und blickte auf ihn hinunter, eine Hand auf den Mund gepresst, ihre Augen riesengroß vor Bestürzung. Sie beugte sich über ihn.
    »John?« Zögernd berührte sie seine Schulter und schüttelte ihn leicht. »John?«
    Er gab keinen Laut von sich, und sein Gesicht war in den Kissen vergraben. Sie drehte vorsichtig seinen Kopf herum. Seine starren Augen blickten leblos zu ihr auf.
    »Allmächtiger Gott, hab Erbarmen!« flüsterte Juliana entsetzt, als sie langsam vor dem Toten zurückwich. Sie hatte ihren Ehemann umgebracht!
    Benommen und ungläubig stand sie neben dem Bett, während sie auf die nächtlichen Geräusche des Hauses horchte: das Ticken der großen Standuhr, das gelegentliche Ächzen und Knarren der Dielenbretter, das Rauschen des Windes, der an offenen Fensterflügeln rüttelte. Von menschlichem Treiben war nichts zu hören.
    Großer Gott, das hatte sie nur wieder mal ihrer namenlosen Unbedachtsamkeit zu verdanken! Warum misslang ihr bloß immer alles, was sie anfing? Warum nur?
    Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als jemanden im Haus zu wecken. Aber was würden sie bei Johns Anblick sagen? Der runde Abdruck des Bettwärmers zeichnete sich deutlich auf dem Rücken des Toten ab. Sie musste ihn wesentlich härter getroffen haben, als es ihre Absicht gewesen war. Aber das passte wieder einmal zu ihrem impulsiven, schusseligen Naturell – sie war und blieb eben ein Pechvogel!
    Zitternd vor Entsetzen, berührte sie den Bettwärmer und bemerkte, daß er noch immer sehr heiß war. Sie hatte ihren Ehemann mit einem glühenden Gegenstand getroffen und ihn getötet!
    George würde keine Zeit verschwenden, wenn er davon erfuhr. Sie könnte sich jegliche noch so logische Erklärung sparen. Er würde sie öffentlich der Habgier beschuldigen, so wie er es bereits an jenem Morgen bei ihrem Gespräch unter vier Augen getan hatte; seine Behauptung lautete, sie hätte einen Mann, der alt genug war, ihr Großvater zu sein, nur seines Geldes wegen geheiratet. Sicherlich klagte er sie an, die Zuneigung und blinde Vernarrtheit seines Vaters schamlos ausgenutzt und dann kaltblütig seinen Tod arrangiert zu haben, um frei über das beträchtliche Erbe verfügen zu können, das ihr laut den Klauseln des Ehevertrages nach dem Ableben ihres Mannes zustand – eine Erbschaft, die Georges Ansicht nach ausschließlich ihm zustand.
    Eine Frau, die ihren Ehemann ermordet hatte, galt als üble, heimtückische Verräterin. Genauso wie ein Bediensteter, der seinen Herrn umbrachte. Wenn sie des Mordes für schuldig befunden wurde, landete sie zur Strafe auf dem Scheiterhaufen.
    Juliana wich noch einen Schritt weiter vom Bett zurück, schob hastig die schweren Bettvorhänge zur Seite und eilte ans Fenster, wo sie eine Weile stand und in tiefen Zügen die warme Nachtluft einatmete, in die sich eine erfrischende Brise Seeluft vom Solent mischte.
Sie werden mich als Verbrecherin verbrennen.
    Einmal war sie Zeugin dieses grauenhaften Spektakels gewesen, draußen auf dem Platz vor dem Gefängnis von Winchester. Mistress Goadsby war des Mordes an ihrem Ehemann für schuldig befunden worden, als er einen Treppensturz nicht überlebte. Vor Gericht hatte sie erklärt, er sei betrunken gewesen und habe sie geschlagen, und dabei sei er gestolpert und auf die Stufen geprallt. Die Blutergüsse und Schwellungen waren noch deutlich auf ihrem Gesicht erkennbar gewesen, als sie auf der Anklagebank gesessen hatte. Dennoch hatten sie sie an den Pfahl gebunden, sie gehenkt und ihre Leiche dann in Brand gesteckt.
    Juliana war damals kaum mehr als ein Kind gewesen, aber die schreckliche Szene hatte sie noch jahrelang verfolgt… zusammen mit dem Geruch brennenden Fleisches. Übelkeit befiel sie jetzt bei der Erinnerung, und sie rannte zum Bett zurück, zog den Nachttopf hervor und erbrach sich heftig darein.
    Vielleicht würden die Richter glauben, daß John eines natürlichen Todes gestorben war, hervorgerufen durch die starke körperliche Anstrengung… andererseits war da dieser unverkennbare Abdruck auf seinem Rücken.

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