Wilde Flammen
Abschreibungsmöglichkeit für seine Steuern, oder er will einfach nur mal auf einem Elefanten reiten, wer weià das schon. Vielleicht hat er ja auch vor, unseren Zirkus aufzulösen und Stück für Stück zu verkaufen.«
»Oh Duffy, nein!« Jos Mine verfinsterte sich erneut. »Das darf er nicht tun!«
»Er darf tun und lassen, was er will«, brummte Duffy und drückte die Zigarre aus. »Wenn er uns entlassen will, dann entlässt er uns eben.«
»Aber wir haben doch ein festes Engagement, bis in den Oktober â¦Â«
»Komm schon, Jo, du bist doch gar nicht so naiv.« Mit gerunzelter Stirn kratzte Duffy sich das schüttere Haar. »Er kann uns eine Abfindung zahlen, oder er lässt unsere Verträge eben nach und nach auslaufen. Der Typ ist Anwalt. Wenn er es darauf anlegt, kann er jeden Vertrag aushebeln. Oder er wartet eben, bis wir neue Verhandlungen anfangen, und lässt sie dann alle kippen. Hey, es muss ja nicht so kommen«, versuchte er abzuwiegeln, als er Jos entsetzte Miene sah. »Dass er all das tun könnte, heiÃt noch lange nicht, dass er es auch tun wird.«
Jo fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Können wir denn nichts unternehmen?«
»Wir können ihm am Ende der Saison unsere Bilanz vorlegen«, meinte Duffy sachlich. »Wir zeigen dem neuen Besitzer, was wir ihm zu bieten haben. Er muss erkennen, dass wir nicht nur irgendein kleiner Rummel sind, sondern ein Zirkus mit einem Unterhaltungsprogramm von Weltrang. Er soll sehen, was Frank aufgebaut hat, wie er gelebt hat, was er erreichen wollte. Und ich denke«, Duffy hielt inne und beobachtete Jos Gesicht genau, »du solltest die Aufgabe übernehmen, es ihm zu zeigen.«
»Ich?« Jo war viel zu verdattert, um empört zu sein. »Wieso? Du bist doch für solche Sachen wie Ãffentlichkeitsarbeit viel qualifizierter als ich.« Ein Anflug von Bosheit schlich sich in ihre Stimme. »Ich trainiere Löwen, nicht Anwälte.«
»Du standest Frank näher als jeder andere. Und es gibt niemanden hier, der den Zirkus besser kennt als du.« Die Falte auf seiner Stirn wurde tiefer. »Du bist intelligent. Hätte nie gedacht, dass all die klugen Bücher, die du liest, mal zu was gut sein könnten. Aber da habe ich mich wohl geirrt.«
»Duffy.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Nur weil ich Gedichte gelesen habe, ist das keine Garantie, dass ich mit Keane Prescott fertigwerde. Wenn ich nur an ihn denke, werde ich schon wütend. Wie soll das erst aussehen, wenn ich ihm gegenüberstehe?«
»Na«, Duffy zuckte mit den Schultern, »wenn du meinst, du wirst nicht mit ihm fertig â¦Â«
»Das habe ich nicht gesagt«, murmelte Jo.
»Natürlich, wenn du Angst vor ihm hast â¦Â«
»Ich habe vor nichts und niemandem Angst, schon gar nicht vor einem Anwalt aus Chicago, der Sägespäne nicht von Mist unterscheiden kann.«
Sie steckte die Hände in die Hosentaschen und begann in dem kleinen Raum auf und ab zu marschieren. »Wenn Keane Prescott, seines Zeichens Rechtsanwalt, einen Sommer beim Zirkus verbringen will, dann werde ich mein Bestes tun, um es zu einem unvergesslichen Erlebnis für ihn zu machen.«
»Aber sei nett zu ihm«, mahnte Duffy noch, als sie auf die Tür zuging.
»Duffy«, sie lächelte ihm unschuldig zu, »du weiÃt doch, was für ein sanftes Händchen ich habe.« Und zur Bekräftigung knallte sie die Tür hinter sich zu.
Der Morgen graute am Horizont, als die Zirkuskarawane sich auf der groÃen Weide aufstellte. Das schwache Licht am Himmel lieà Farben nur erahnen. In der Ferne konnte man verschwommen riesige Orangenhaine liegen sehen.
Als Jo aus der Fahrerkabine ihres Trucks ausstieg, sog sie den Duft der Blüten ein, der in der Luft hing. Ein perfekter Morgen, befand sie. Für sie gab es nichts GroÃartigeres, als zu beobachten, wie ein junger Tag sich anschickte, seine volle Schönheit zu entfalten.
Es war noch kühl. Jo zog den ReiÃverschluss ihrer grauen Kapuzenjacke zu. Jetzt stieg auch der Rest der Truppe aus den Wagen und Autos und Lastern. Schon bald drang munteres Stimmengewirr durch die Morgenluft. Alle machten sich sofort an die Arbeit. Als das groÃe Hauptzelt aufgerollt wurde, ging Jo nachsehen, wie ihre Löwen die fünfzig Meilen Fahrt überstanden hatten.
Drei Helfer entluden die Reisekäfige. Von
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