Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
Innern war sie schon ganz aufgelöst, und nun sehnte sie sich nach Erlösung.
»Horch! Hörst du sie? Die Vögel? Die Affen? Selbst die Insekten warnen uns.«
Rachael bemühte sich, ihr Herzklopfen und ihr Keuchen zu unterdrücken, um zu lauschen. Sie brauchte einige Minuten, ehe sie die verschiedenen Tierlaute unterscheiden konnte. Seltsamerweise hörte sie sogar einzelne Stimmen heraus, die offenbar Nachrichten austauschten. »Was hat das zu bedeuten?«
»Wir bekommen Besuch.«
»Von dem Leoparden?« Rachaels Mund wurde trocken. Rio war sehr ernst. Sie hörte wieder hin, diesmal noch genauer, und war selbst überrascht, dass sie einen Unterschied heraushörte. Die Vögel sangen, und die Insekten summten nun anders - in drängenderem Ton. Und die Affen kreischten einander etwas zu. Es brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass damit auch Rio verständigt wurde. »Sie warnen dich tatsächlich.«
Rio platzierte Rachael in dem gut gepolsterten Sessel, der nun ein Stück von der Tür entfernt stand. »Ich tu ihnen den ein oder anderen Gefallen und sie mir. Es ist kein Leopard, sondern ein Mensch. Einer den sie kennen, er muss schon öfter hier gewesen sein.« Er hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt und massierte ihr geistesabwesend den Nacken.
Rachael wollte das Hemd, das sie trug, zurechtziehen, und stellte dabei überrascht fest, dass alle Knöpfe offen standen. Sie war schon genauso schamlos wie Rio. Sie gestattete es sich, den Kopf gegen die Sessellehne sinken zu lassen. Dann bog sie den Rücken durch und räkelte sich wie eine träge Katze, um den zunehmenden inneren Druck ein wenig zu lindern. Sie erschauerte in der kühlen Morgenluft. Rachael schaute auf ihre Arme hinab und
hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass die Haut sich kaum merklich anhob und sich unter ihr etwas regte. Doch dann war der Moment auch schon wieder vorüber, und sie fragte sich, ob sie etwa so nach einem Mann lechzte, dass sie schon Halluzinationen hatte.
»Rachael, woher wusste deine Mutter von den Leopardenmenschen und diesem Ort?« Widerstrebend nahm Rio die Hände von ihren Schultern, ging zum Fenster und schob den Vorhang beiseite, um hinauszuspähen.
»Keine Ahnung. Für mich waren das einfach nur Geschichten. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich mich richtig erinnere, Rio. Vielleicht habe ich die Lücken in den Geschichten selbst ausgeschmückt. Ist das denn wichtig? Glaubst du wirklich, dass es solche Sachen geben könnte? Bei Tageslicht betrachtet kommt es einem reichlich dumm vor zu glauben, dass ein Mann gleichzeitig Tier und Mensch sein könnte. Oder von mir aus auch eine Mischung von beidem. Wie soll das aussehen? Sind dann Kopf und Oberkörper menschlich und alle restlichen Teile von einem Leoparden?« Sie konnte ihn nicht anschauen, ohne sich einzubilden, einer gefährlichen Wildkatze gegenüberzustehen. Oder sich daran zu erinnern, wie sein Gesicht sich von dem eines menschlichen Kriegers in das eines wilden Tieres verwandelt hatte.
»Du hältst das für dumm? Hier im Wald ist alles möglich. Wenn du wirklich hier leben willst, musst du für alles aufgeschlossen sein.« Er stand mit dem Rücken zu ihr und fragte sich, wie er es schaffen sollte, sie gehen zu lassen.
Ein leiser Doppeltriller, ganz wie der eines Singvogels erreichte seine Ohren. Er wandte sich um. »Rachael, Kim Pang nähert sich dem Haus.«
»Das ist nicht möglich, er war am anderen Ufer. Der
Fluss führte bereits Hochwasser, und bei all dem Sturm und Regen kann er noch nicht wieder abgeschwollen sein.« Mit einem Schlag lag ihre Welt wieder in Trümmern, und alles fing von vorn an. Das Weglaufen. Die Lügen. Rachael wandte den Kopf ab, damit Rio nicht sah, dass in ihren Augen Tränen brannten. Sie hatte doch gewusst, der Tag würde kommen. Es machte sie wütend, dass sie diese Tatsache nie hatte akzeptieren wollen, sich immer weiter vorgemacht hatte, sie würde ein neues Zuhause finden.
»Kim schafft es genauso über den Fluss wie ich auch.« Rio suchte nach den richtigen Worten. »Außerhalb meines Teams ist er wohl der beste Freund, den ich habe.«
Rachael zuckte die Schultern. »Ist mir egal. Gib mir nur etwas Zeit, mich anzuziehen und zu verschwinden. Fang ihn ab, bevor er kommt.«
Da regte sich etwas in ihm, etwas Gefährliches. »Nein, Rachael. Mit dem Bein kannst du nicht weg. Wenn du mit diesen Bisswunden im Dschungel herumläufst, ziehst du dir umgehend eine neue Entzündung zu. Bleib einfach hier sitzen und
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