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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mitten in der Ebene strahlte hell der Lauf des Junitaki. Mir war, als tönte in der Ferne eine Dampfsirene. Wunderbares Wetter.
    Ich atmete tief ein, schulterte meinen Rucksack und ging den leicht abschüssigen Weg hinab. Hinter der nächsten Kurve parkte ein mir fremder, nagelneuer Jeep. Vor dem Jeep stand der schwarze Sekretär.

15. TEEPARTY UM ZWÖLF
    »Ich habe auf Sie gewartet«, sagte der schwarze Mann. »Kaum zwanzig Minuten allerdings.«
    »Wie kamen Sie darauf?«
    »Auf was? Auf den Ort? Auf die Zeit?«
    »Auf die Zeit natürlich«, sagte ich und stellte meinen Rucksack ab.
    »Was, glauben Sie, hat mich zum Sekretär des Chefs gemacht? Strebsamkeit? IQ ? Organisationstalent? Weit gefehlt. Ich bin einfach fähig, mein Freund. Intuition, um es mit Ihren Worten zu sagen.«
    Der Mann trug eine beigefarbene Daunenjacke und Skihosen und hatte eine Sonnenbrille mit grünen Gläsern auf.
    »Der Chef und ich hatten vieles gemein. Vieles, was über Vernunft, über Logik und Moral hinausgeht, meine ich.«
    » Hatten gemein?«
    »Der Chef ist vor einer Woche gestorben. Ein prächtiges Begräbnis. In Tokyo ist der Streit um die Nachfolge gerade in vollem Gange: Die Mittelmäßigkeit führt ihren Affentanz auf. Das kommt mir gelegen.«
    Ich seufzte. Der Mann zog ein silbernes Zigarettenetui aus der Jackentasche, entnahm ihm eine filterlose Zigarette und zündete sie sich an.
    »Mögen Sie eine?«
    »Danke, nein«, sagte ich.
    »Sie haben sich hervorragend geschlagen. Besser, als ich dachte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich bin geradezu erstaunt. Ursprünglich hatte ich ja vor, Ihnen hier und da, wenn Sie nicht mehr weiterkämen, ein paar Tipps zu geben. Wie auch immer. Das Treffen mit dem Schafprofessor war Ihr Meisterstück, einfach großartig. Ich wünschte fast, Sie würden ständig für mich arbeiten.«
    »Sie kannten die Weide von Anfang an, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich. Wofür halten Sie mich?«
    »Gestatten Sie mir eine Frage?«
    »Bitte«, sagte der Mann gut gelaunt. »Machen Sie’s kurz.«
    »Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, wo ich suchen muss?«
    »Ich wollte, dass Sie freiwillig herkommen, aus freien Stücken. Und dass Sie ihn dann aus seiner Höhle locken.«
    »Höhle?«
    »Aus seiner mentalen Höhle. Menschen reagieren, wenn sie vom Schaf besessen werden, zunächst mit einer Art Autismus. Stellen Sie sich ein Bombentrauma vor. Ihre Aufgabe war, ihn davon zu befreien, ihn aus sich herauszulocken. Dazu musste er Ihnen vertrauen, und deshalb durften Sie nicht zu viel wissen. Ganz einfach, nicht wahr?«
    »Ganz einfach.«
    »Wenn die Saat einmal liegt, ist alles einfach. Das Programmieren ist die Kunst! Der Computer rechnet nur, menschliche Gefühle kann er nicht kalkulieren; feinste Handarbeit ist das. Und wenn dieses mühsam erstellte Programm dann reibungslos läuft – es gibt nichts Erhebenderes.«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Nun denn«, sagte der Mann. »Die Jagd nach dem Schaf geht ihrem Ende zu. Dank meinen Berechnungen und Ihrer Naivität. Ihr Freund gehört mir. Nicht wahr?«
    »Scheint so«, sagte ich. »Er wartet dort oben. Er sagte, Teeparty, Punkt zwölf.«
    Der Mann und ich sahen gleichzeitig auf unsere Armbanduhren. Zehn Uhr vierzig.
    »Ich gehe besser«, sagte der Mann. »Es wäre unhöflich, zu spät zu erscheinen. Lassen Sie sich mit dem Jeep runterfahren. Ach ja, hier, Ihr Honorar.«
    Der Mann zog einen Scheck aus der Brusttasche und gab ihn mir. Ich steckte ihn ein, ohne auf den Betrag zu sehen.
    »Sie prüfen ihn nicht einmal?«
    »Ich glaube nicht, dass das nötig ist.«
    Der Mann lachte amüsiert. »Es war ein Vergnügen, mit Ihnen zu arbeiten. Übrigens, Ihr Partner hat die Agentur aufgelöst. Wirklich schade, bei den Aussichten, die Sie hatten. Das Werbegeschäft geht in Zukunft erst richtig los. Stellen Sie allein was auf die Beine!«
    »Sie sind verrückt«, sagte ich.
    »Bis bald mal wieder«, sagte der Mann. Dann lief er los, Richtung Hochplateau.
    * * *
    »Bückling geht’s gut«, sagte der Fahrer, den Jeep steuernd. »Er ist richtig dick geworden.«
    Ich saß auf dem Beifahrersitz. Ohne sein Ungeheuer von Auto war der Fahrer wie ausgewechselt. Er erzählte alles Mögliche vom Begräbnis des Chefs und von Bückling, aber ich hörte kaum hin.
    Es war elf Uhr dreißig, als der Jeep vor dem Bahnhof hielt. Die Stadt lag wie ausgestorben da. Ein alter Mann schaufelte vor dem Bahnhof Schnee. Ein magerer Hund neben ihm wedelte mit dem Schwanz.
    »Vielen Dank«,

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