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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Tagebuch von Mrs. Katherine Dunbar
    4. September 1840
    Ich weiß nicht mehr weiter. Seit Tagen ziehen wir durch die Berge, ohne eine Spur von Menschen zu finden. Heute habe ich mich zum ersten Mal genügend sammeln können, um die Ereignisse der letzten Wochen niederzuschreiben. Duane hat ein Feuer entzündet, in dessen Licht ich diese Zeilen verfasse.
    Ich bin nicht sicher, wie wir bis an diesen Punkt gekommen sind, aber die Reise stand bereits in Independence, Missouri, unter keinem guten Stern. Dort hatte sich der Trek versammelt, mit dem meine Kinder und ich nach Oregon reisen wollten, wo mein geliebter Mann eine Farm für uns aufgebaut hat.
    In seinen Briefen ließ Paul keinen Zweifel an der Beschwerlichkeit unserer Reise. Aber immer wieder betonte er, wir würden sicher nach Port Vancouver gelangen, wenn wir drei Dinge beachteten. Kräftige Zugtiere, die eigene gute Gesundheit und keine langen Unterbrechungen. Nichts, so schrieb er, sei schlimmer, als die Rocky Mountains außerhalb des Sommers zu überqueren. Dazu dürfe es unter keinen Umständen kommen.
    Ich fürchte, ich habe Paul enttäuscht, aber was weiß ich auch schon von Pferden, Ochsen oder Bergen? Ich bin aus New York, nicht aus Kentucky, wo man seine Tage nur in der Natur verbringt und am Flug der Vögel einen herannahenden Sturm erkennt. Es bereitete mir keine Sorgen, als wir länger als geplant in Independence blieben, weil die Ochsen einiger Siedler krank geworden waren. So konnte ich das Landleben beobachten und mir vorstellen, wie es sein würde, selbst das Feld zu bestellen.
    Duane mochte es, von so vielen Tieren umgeben zu sein, aber mich störte der Gestank. Selbst nach einer Parade auf der 5th Avenue habe ich noch nie soviel Pferdekot gesehen wie in diesem Ort. Wenn es irgendwo eine Industrie für Pferdekot gibt, so hat sie sicherlich in Independence ihren Hauptsitz.
    Aber ich schweife ab.
    Wir genossen den Frühsommer in Missouri und verließen den Ort in bester Stimmung. Duane saß die meiste Zeit auf dem Kutschbock und hielt die Zügel in der Hand, damit ich mich um die Zwillinge kümmern konnte. Sharon und Casey schien die Reise nichts auszumachen, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie die neuen Eindrücke, die sie jeden Tag bekamen, mit wachen Blicken in sich aufnahmen. In New York war meine Familie sehr in Sorge über meinen Entschluss gewesen, mit zwei so kleinen Kindern nach Oregon zu ziehen, aber ich wollte nicht mehr länger getrennt von Paul leben. Also setzte ich mich gegen ihre Bedenken durch.
    Vierunddreißig Wagen waren es, die gen Westen zogen, dem weiten Land entgegen. An unserer Spitze ritt Colonel Hickman auf seinem weißen Pferd. Er war ein unangenehmer Aufschneider mit schlechten Manieren und einem Atem, der nach saurem Whisky roch. Der Colonel hat nie erklärt, welche Armee ihm seinen Rang verliehen hat und ich bezweifle, dass eine dumm genug wäre, ihm die Verantwortung über mehr als das Kartoffelschälen zu übertragen.
    Doch das ahnte ich damals noch nicht, als mein Sohn und ich die aufgehende Sonne im Rücken spürten und den Pferden die Peitsche gaben. Wir wähnten uns in sicheren Händen, so wie all die anderen Siedler, die ihre gesamten Ersparnisse Hickman gegeben hatte, damit er sie nach Oregon brachte.
    Eines Morgens war er verschwunden. Und mit ihm das Geld.
    ***
    10. September 1840
    Über Nacht ist der Frost gekommen. Die Kälte durchdringt meinen ganzen Körper und lähmt mich beinahe. Duane scheint sie jedoch nichts auszumachen. Obwohl er erst zehn Jahre alt ist, kommt er mit den schwierigen Umständen besser zurecht als ich. Auch den Zwillingen, die in Decken gehüllt im Planwagen liegen, geht es gut. Sie weinen nicht mehr als sonst und haben sich bislang auch nicht erkältet.
    Zum Glück finden die Pferde genügend Nahrung, so dass ich mir zumindest über den Fortgang unserer Reise keine Sorgen machen muss. Nur wo sie hinführen wird, kann ich nicht sagen.
    Wir haben uns hoffnungslos verirrt.
    Heute morgen erst habe ich bemerkt, dass wir uns die letzten zwei Tage im Kreis bewegt haben. Ich glaube, es wäre mir nicht aufgefallen, hätten wir nicht zum zweiten Mal einen besonders merkwürdig geformten Felsen passiert, der wie ein Pferdekopf aussieht.
    Duane habe ich davon nichts erzählt, denn ich will ihn nicht beunruhigen. Allerdings befürchte ich, dass auch ihm der Felsen nicht entgangen ist. Er ist ein aufgeweckter Junge, der fast schon zu klug für sein Alter ist. Vielleicht erwähnt er den

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