Wilder als Hass, süsser als Liebe
kostete, obwohl Gott allein wußte, wie entsetzlich schwierig ihr das Geständnis fallen würde.
Und doch, sie mußte es tun. Weil das Thema so quälend war, daß sie es nicht vernünftig durchdenken konnte, hatte sie erst jetzt, da lan es ihr deutlich gemacht hatte, begriffen, wie selbstsüchtig ihre Geheimniskrämerei war. Sie wollte sicher nicht, daß ROSS sie haßte, aber Haß
war jedenfalls das, was die Ehe schließlich auseinanderbringen konnte.
Wie er gesagt hatte, schuldete sie ROSS die Wahrheit, und in einem sehr realen Sinn der Worte würde sie ihn befreien. Sich nicht, denn sie war in ihre eigene Schuld eingesperrt, aber um seinetwillen mußte sie ihm all das beichten, was damals auf Malta geschehen war. Nicht nur, daß es ihn befreien würde - er mußte dann auch nicht mehr in der quälenden Ungewißheit leben.
Es würde ein seltsames Geschenk ihrer Liebe sein, aber es war das größte, das Juliet geben konnte. Sie öffnete die Augen.
»Also gut, lan, du hast mich durch deinen Glauben, ich sei mutiger, als ich wirklich bin, ziemlich beschämt. Ich werde tun, was ich schon lange hätte tun sollen.«
»Braves Mädchen. Ich wußte ja immer, daß du alles schaffen kannst.«
»Wieder daneben«, berichtigte sie ihn und seufzte tief auf. Dann, plötzlich, in einem Überschwang von Zärtlichkeit rief sie aus: »0
lan, ich bin so froh, daß du lebst!«
»Ich auch.« Er knuddelte ihre Schultern. »Bei dieser ganzen hochdramatischen Flucht aus Buchara habe ich dir niemals vernünftig Danke gesagt, aber glaub’ mir bitte, ich bin unendlich dankbar für das, was ROSS und du und auch Mutter für mich getan habt. Ich bin froh, eine solche Familie zu haben.«
Mehr Worte waren nicht nötig, denn das Schweigen war voll Wärme und Nähe, die Juliet fast verloren geglaubt hatte.
Wenigstens das, wenn auch nichts anderes in dieser Nacht, machte sie zutiefst glücklich.
In dem Wissen, daß ihr Entschluß nicht lange halten würde, blieb Juliet gerade lange genug in ihrem Zimmer, um sich zu kämmen, kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen und sich mit einigen Taschentüchern auszurüsten. Dann nahm sie eine Öllampe und machte sich durch die dunklen Flure auf zu ROSS’
Schlafzimmer.
Die Tür war nicht verschlossen, also trat sie ein, hängte die Lampe an einen Haken, gingen an sein Bett und blickte auf ihn herab.
Selbst im Schlaf wirkte sein Gesicht noch erschöpft.
Als sie seine Schulter berührte, öffneten sich seine Augen sofort, doch ansonsten bewegte er sich nicht. Nachdem er sie lange schweigend betrachtet hatte, sagte er: »Ich hoffe ernsthaft, das ist kein fehlgeleiteter Versuch, mich zu vorübergehender Befriedigung zu verführen.«
Ihr Mann würde es ihr nicht einfach machen. »Keine Sorge. Ich bin hier, weil ich entschieden habe, daß du recht hast. Ich schulde dir wirklich die Wahrheit, wie quälend sie auch sein mag.« Ihre Stimme schwankte ein wenig. »Aber sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
»Also, was geschieht jetzt?« Er setzte sich im Bett auf, und das zerknitterte Laken rutschte auf seine Hüften. Das honigfarbene Licht umriß seine Gestalt mit atemberaubender Klarheit: Die breiten Schultern, die harten Muskeln, das goldene Haar … und der schmale Verband über der Kopfwunde. Das und die häßlichen schwarzblauen Flecken, die er sich bei dem Sturz vom Felsen zu-gezogen hatte, waren die einzigen Merkmale, die verhinderten, ihn perfekt erscheinen zu lassen.
Sie riß ihren Blick los. »Das hängt von dir ab«, meinte sie und begann, unruhig auf und ab zu gehen, wobei sie sich im dunkleren Teil des Zimmers hielt. »Ich beichte es besser schnell, bevor ich den Mut verliere.«
»Fang an!« Seine Stimme klang sehr ruhig und tief, als fürchtete, sie könnte bei einem harten Wort die Flucht ergreifen.
Noch einmal holte sie tief Luft. »Was ich dir gesagt habe, daß ich Angst hatte, mich selbst zu verlieren, wenn ich in England bliebe, stimmte. Manchmal fürchtete ich, ich würde von dir eingehüllt werden, würde ganz verschwinden … nicht durch irgend etwas, das du getan haben könntest, sondern wegen meiner eigenen Schwäche. In meiner Kindheit habe ich permanent gegen meinen Vater kämpfen müssen, um ich sein zu dürfen. Ich schaffte es, aber nichts bereitete mich darauf vor, mit dir verheiratet zu sein … darauf, daß ich soviel Liebe empfinden würde, daß ich dir, wenn du mich darum gebeten hättest, augenblicklich meine Seele überreicht hätte. Dennoch denke ich,
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