Wildes Blut
angeheuert hatten, für einen Irren gehalten. Er war überzeugt gewesen, der Wünschelrutengänger hätte nur seine Schau mit der Astgabel abgezogen, um sie um ihr Geld zu betrügen, und Wasser wäre überall zu finden. Also hatte Jonathan viele vergebliche Stunden damit zugebracht, näher am Haus nach Wasser zu graben. Aber der alte Mischling hatte recht behalten, und seither hegte ihr Mann einen unbegründeten Haß gegen Indianer und Wünschelrutengänger. Zwischen India und Jonathan gab es ständig Streit, weil Rachel Wilder, ihre nächste Nachbarin, Indias beste Freundin, die Kunst des Wünschelrutengehens von dem Mischling gelernt hatte.
India und Jonathan hatten bald gelernt, daß in der Prärie kein einziger Tropfen Wasser verschwendet werden durfte. Selbst verschmutztes Wasser konnte sie noch für ihren Gemüsegarten benutzen.
Bei dem Gedanken warf sie einen Blick auf ihren ruinierten Garten, und die Sinnlosigkeit ihres unbewußten Handelns wurde ihr bewußt. Ihr hysterisches Lachen war wie der Schrei eines tödlich verwundeten Tieres. Einen langen, schrecklichen Augenblick lang fürchtete sie, sie würde in Ohnmacht fallen. Sie schloß die Augen und klammerte sich an den Rand des Waschzubers, bis das Schwindelgefühl sich legte.
Erschrocken vom plötzlichen Schmerz seiner Mutter, regte sich das Kind in Indias Leib und versetzte ihr einen Tritt. Instinktiv legte sie eine beschwichtigende Hand auf ihren vorgewölbten Bauch, bis sich das hektische Flattern in seinem Inneren beruhigt hatte und sie spürte, daß das Kind wieder eingeschlafen war. Dann schob sie ihr Kinn vor und zwang sich, mit der Arbeit fortzufahren. Trotz aller Mühsal ging das Leben weiter.
Indias graugesträhnte Haare, die sie sich heute morgen zu einem ordentlichen Knoten geschlungen hatte, lösten sich jetzt aus den Nadeln. Sie schob die losen Strähnen aus dem Gesicht und wischte sich die schweißtriefende Stirn ab, die rußverschmiert vom Staub, Rauch und der starken Kernseife war, die in dem großen schwarzen Waschkessel über dem glimmenden Feuer blubberte. Dann bückte sie sich und versuchte, den großen Korb neben dem Waschzuber mit der nassen Wäsche auf eine Hüfte zu stimmen, was selbst unter normalen Umständen schwierig war. Doch jetzt, behindert durch die Schwangerschaft und die beiden Kleinkinder, die sich an ihre Röcke klammerten, war die Aufgabe fast unmöglich für India. Stöhnend und schweißüberströmt versuchte sie, den Korb hochzuheben. Einen Augenblick lang wäre sie am liebsten auf die Knie gefallen und hätte laut geweint.
»Hier, laß dir helfen, Mama«, hörte sie Eve sagen, die mit besorgtem Gesicht und Augen, die viel zu traurig und zu wissend für eine Dreizehnjährige waren, zu ihr lief.
India versuchte, ihre älteste Tochter anzulächeln, und mußte mit Mühe die heißen Tränen unterdrücken.
Sie ist noch so jung, dachte India betroffen. Viel zu jung, um so erfahren zu sein. Es ist einfach nicht recht, daß ein Kind gezwungen ist, die Last eines Erwachsenen zu tragen. Aber wenn Eve nicht wäre, hätte ich wahrscheinlich nicht die Kraft weiterzumachen. Oh, Eve, ich hatte solche Pläne mit dir. Ich wollte nie, daß es so wird. Ich wollte nie, daß das Leben so hart ist, daß du so schnell erwachsen werden mußt …
Wehmütig dachte India an ihre eigene Kindheit auf der prachtvollen Plantage ihrer Eltern. Cypress Hill, am Ufer des Mississippi in Louisiana, wo zahlreiche Sklaven sie von morgens bis abends bedient, wo der Tisch sich unter dem üppigen Essen gebogen hatte und wo ihre einzige körperliche Arbeit Sticken, Klöppeln und Nähen gewesen war. Wie war sie nur hierhergeraten?
Wieder erwachte das Baby in ihrem Leib von den besorgten Gedanken seiner Mutter und strampelte. Es war Indias dreizehnte Schwangerschaft in sechzehn Jahren. Sie hatte sieben lebende Kinder zur Welt gebracht, zwei Totgeburten waren in Louisiana begraben, und dazwischen hatte sie noch drei Fehlgeburten erlitten. Das hätte von jeder Frau Tribut gefordert, und India war am Ende. Sie freute sich nicht auf die Geburt dieses Kindes, denn sie hatte das Gefühl, daß ihr Herz diesmal den Strapazen nicht gewachsen war.
Während sie zusammen die Wäsche auf die Leine hängten, warf sie einen Blick auf Eve. Was würde aus Eve und den anderen Kindern werden, wenn sie starb?
India wußte, daß Jonathan es nicht alleine schaffen würde. Er war noch nie sehr zuverlässig oder praktisch gewesen. Als sie erfahren hatte, daß ihr
Weitere Kostenlose Bücher