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Wildhexe - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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verstehen, nur irgendetwas mit notwendig und das Leben meiner Tochter .
    Das Leben meiner Tochter? Mein Herz stand für eine Sekunde still. Dachte sie, dass ich sterben würde? Schließlich kann man an gefährlichen Bakterien sterben, auch wenn man noch nicht steinalt ist und im Pflegeheim lebt.
    »Mama?«, rief ich, aber durch die geschlossene Tür hörte sie mich nicht, und sie war wohl auch zu sehr mit der Streiterei am Telefon beschäftigt.
    Ich setzte mich auf. Bong. Es fühlte sich an wie ein Hammerschlag zwischen die Augen, genau in die Kratzwunde. Ich wimmerte. Es tat so weh und es wollte einfach nicht aufhören.
    »Mama?!«
    Ich stand auf. Die Küchentür war Kilometer entfernt, aber schließlich erreichte ich sie doch.
    »… gut möglich, dass mir nichts anderes übrig bleiben wird«, sagte Mama gerade. »Aber ich verstehe einfach nicht, wie man so gleichgültig sein kann, wenn –«
    Dann sah sie mich.
    »Mäuschen! Setz dich hin, bevor du noch umkippst.« Sie drehte sich eilig weg, aber ich hatte es trotzdem gesehen. Sie weinte. Wieder.
    Mütter sollen nicht weinen. Sie sollen erwachsen und stark sein und auf ihre Kinder aufpassen. Wie gesagt: Ganz anders als Oscar bin ich nicht gerade mutig, aber ich glaube, an meiner Stelle hätte jetzt sogar er Angst bekommen.
    »Geben Sie mir die Adresse«, sagte Mama kurz angebunden. »Den Rest schaffe ich dann auch alleine.« Sie kritzelte ein paar zornige Buchstaben auf den Notizblock, der an der Kühlschranktür hing, und verabschiedete sich sehr abrupt von ihrem Gesprächspartner. Als sie sich wieder zu mir umdrehte, hatte sie ihre Tränen weggewischt und lächelte sehr mama-mäßig.
    »Mein Mäuschen, wir werden wohl eine Autofahrt machen müssen. Denkst du, du schaffst das?«

3  KRÖTENGIFT UND NATTERNSPUCKE
     
     
    Wir fuhren lange. Mama hatte den Rücksitz unseres kleinen blauen Kias mit Kissen und Decken ausge stattet, und abgesehen davon, dass mir immer schwindliger wurde, lag ich eigentlich ganz bequem. Ich hatte bloß ein seltsames Surren im Ohr, es klang wie eine lästige Fliege, nur lauter und näher, so als säße sie genau in meinem Gehörgang. Mir, mir, mir .
    Ich muss trotzdem eingeschlafen sein, denn plötzlich hatten wir die Stadt hinter uns gelassen, es gab keine Straßenlaternen mehr und keinen Verkehrslärm, nur Dunkelheit und ab und zu das Licht eines einzelnen Autos. Die Scheibenwischer quietschten über die Windschutzscheibe, iiiiiu-iiu, iiiiu-iiu, und der Regen trommelte auf das Autodach.
    »Können wir nicht das Radio anmachen?«, fragte ich, weil ich hoffte, dass ich das Fliegengeräusch dann vielleicht nicht mehr hören musste.
    »Na klar. Liegst du bequem?«
    »Alles gut«, sagte ich.
    Die Autolautsprecher knackten, während meine Mutter versuchte, einen Sender zu finden, der sich einigermaßen empfangen ließ. Stimmen und Musikfetzen wurden laut und gingen sofort wieder im Rauschen des Radios unter.
    »Scheint hier draußen nicht so einfach zu sein«, sagte sie. »Was hältst du davon, wenn wir stattdessen eine CD hören?«
    »Okay.«
    Sie legte eine Electra - CD ein, von der sie wusste, dass sie mir gefiel. Electras klare Stimme übertönte das Dröhnen der Bässe und der Schlagzeugrhythmen. »Go where you gotta go, no matter how far«, sang sie. »Mama always told me, gotta be who you are, can’t be nobody else, gotta seek your own star, gotta be … gotta be … gotta be who you are.«
    Ich lag da und hörte zu. Das Pochen in meinem Kopf schien ein bisschen nachzulassen, wenn ich versuchte, mich nicht auf den Summton, sondern auf Electra zu konzentrieren. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen.
    »Mama?«
    »Ja, Mäuschen?« Sie schaltete und beschleunigte ein wenig. Wir fuhren jetzt bergauf.
    »An dieser … dieser Krankheit. Kann man daran sterben?«
    Sie nahm den Fuß vom Gaspedal, und das Auto verlor sofort an Geschwindigkeit, weil die Straße so steil war. Dann drehte sie sich im Sitz um und schaute mich an.
    »Clara-Maus. So was darfst du nicht denken!«, sagte sie. »Bald sind wir bei Tante Isa, und dann hilft sie uns. Alles wird gut. Okay, Schatz?«
    »Ja«, murmelte ich. »Okay.«
    Aber das sagte ich vor allem ihr zuliebe. Denn während sie wieder Gas gab und den Wagen weiter durch Regen und Dunkelheit lenkte, konnte ich nicht aufhören an eine Sache zu denken:
    Sie hatte nicht Nein gesagt.
     
    Das Auto holperte und schaukelte über einen Weg, der so uneben war, dass der Kia nur im Schneckentempo vorwärtsschleichen

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