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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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diese Schuhe!, flehe ich beim Anblick von Vanessas Stilettos. In meiner Verzweiflung greife ich noch einmal nach meinen Doc Martens, um sie sie kritisch unter die Lupe zu nehmen. Zwar kann ich nichts Verdächtiges entdecken, das muss allerdings nichts heißen: Der Sender kann ausgesprochen klein sein, so klein, dass man ihn nicht bemerkt. Vielleicht hat er die Form einer Nadel und steckt im Innenfutter, womöglich sitzt er zwischen Naht und Profilsohle. Genauso gut kann er auch im Saum meiner Jeans, im Futter meiner Jacke, im Kordelzug meines Sweatshirts stecken. Um das zu prüfen, müsste ich die Sachen zerschneiden, zerreißen, auseinandernehmen. Und damit wäre mir nicht gerade geholfen. Bleibt die Frage nach den Batterien, die in der Regel größer als die Sendegeräte sind und damit leichter zu finden. Aber auch Batterien finde ich nicht. Also doch kein Sender in den Schuhen? Mir ist nicht bekannt, dass es so kleine Geräte gibt, schon gar nicht derart kleine Batterien. Aber verdammt! Ich bin nicht beim CIA, und die Technik ändert sich ständig. Es geht nicht, ich darf kein Risiko eingehen. Bleiben nur Vanessas Mörderpumps.
    Für ihr Gardemaß hat sie erstaunlich kleine Füße, trotzdem sind mir die Schuhe zwei Nummern zu groß – und einen halben Meter zu hoch. Doch da muss ich durch. Ich schlüpfe in den Beerdigungsmantel. Fertig.
    Und was mache ich jetzt mit Vanessa? Schade, dass ich sie nicht mitnehmen kann, wo ich noch so viele Fragen an sie hätte. Ich starre auf ihre rote Reizwäsche und habe eine Idee. Vorsichtig schaue ich auf den Flur hinaus. Die Luft ist rein.
    »Wo ist dein Zimmer?«
    »Gleich rechts neben diesem hier.«
    »Und der Schlüssel?«
    Sie antwortet nicht.
    »Die Karte für deine Zimmertür. Avanti, avanti!«
    Sie greift in ihren BH und wirft sie mir vor die Füße.
    »Hoch mit dir!« Ich bücke mich, hebe die Chipkarte auf und schnappe mir meinen Rucksack. Mist. Den kann ich nicht mehr benutzen. All die Seitentaschen, Stofffalten, Schnallen … Ich nehme das Notfallhandy, meine Papiere, die erbeutete Geldbörse, die Zaubertücher und meine Perücke heraus und stopfe alles in die Manteltaschen.
    Mit vorgehaltener Waffe schubse ich Vanessa auf den Gang, öffne die Tür zum Nachbarzimmer und stoße sie in den Raum.
    »Aufs Bett!«
    Sie lässt sich rücklings auf die Matratze fallen. Ich ziehe ihr die Arme über den Kopf und fessele sie mit einem meiner praktischen Tüchlein.
    »Denk dir eine schöne Geschichte aus«, sage ich. »Der Portier ist bestimmt scharf drauf. Aber wage es nicht, meinen Namen ins Spiel zu bringen!« Ich setze ihr die Pistole auf die Stirn. »Wenn du das machst, besuche ich dich in deinem Schickimicki-Apartment und knall dich ab, verstanden? Du weißt ja, dass ich nicht zimperlich bin.«
    Sie starrt mit weit aufgerissenen Augen zur Decke und schweigt. Mein Blick fällt auf ihre Louis-Vuitton-Tasche neben dem Bett, vielleicht echt, vielleicht vom türkischen Basar – bei dieser Frau kann man nie wissen. In der leisen Hoffnung, ihren Schlabberpulli von gestern darin zu finden, schütte ich den Tascheninhalt auf den Boden. Schminke, Schminke, nochmals Schminke. Ein Höschen. Ein Smartphone. Autoschlüssel. Ich werfe Smartphone und Autoschlüssel zurück in die Tasche, stopfe auch den Inhalt meiner Manteltaschen hinein. Dann verlasse ich den Raum und schließe die Tür hinter mir.
    Hasta la vista, baby.

16
    Schönheit ist eine Gefahr von Jugend auf.
    Theodor Fontane

    Den Mann an der Rezeption kenne ich nicht, vermutlich hat er erst heute Morgen seine Schicht angetreten. Um meinen offenherzigen Ausschnitt nicht ganz so prägnant ins Blickfeld zu rücken, ziehe ich den Beerdigungsmantel enger, während ich auf ihn zustöckele.
    »Frau Kronenberg?«
    »Die bin ich.«
    »Ein junger Mann hat eine Nachricht für Sie abgegeben«, erklärt der Portier nochmals und schickt ein unverbindliches Lächeln hinterher.
    »Hat der junge Mann denn meinen Namen genannt?«, will ich wissen.
    »Nein, das nicht. Aber er hat mir ein Handyfoto gezeigt und die Kollegin war sich sicher, dass Sie die Frau auf dem Bild sind. Sie haben wohl etwas verloren, das der junge Mann Ihnen gern zurückgeben möchte.« Der Portier reicht mir einen kleinen Zettel.
    Ich nehme ihn, falte ihn auseinander. Eine in kantigen Druckbuchstaben verfasste Nachricht:

    Ich muss Sie dringend sprechen.
    Warte im Flecker Kaffeehaus auf Sie.
    Bitte kommen Sie!
    Es ist sehr wichtig!
    Ein Freund.

    »Gibt es hier einen

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