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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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Ölwarnlämpchens harmoniert.
    »Galina? Ich kenne keine Galina.«
    »Waskovic.«
    »Ich kenne keine Galina Waskovic.«
    »Sicher kennen Sie sie! Sie hat mir ein Foto von Ihnen gezeigt.«
    »Du hast mir auch ein Foto von mir gezeigt – und ich kenne dich trotzdem nicht.«
    Er greift in seine Jackentasche und zieht einen himmelblauen Briefumschlag hervor. »Hier!«
    Die Ampel springt auf grün.
    »Du siehst doch, ich muss fahren. Lies vor!«
    Er zögert. »Nein, lieber nicht. Es geht mich eigentlich nichts an.«
    Für einen kleinen Ganoven besitzt er ziemlich viel Feingefühl, denke ich. Aber vielleicht ist er gar kein Ganove. »Dann erklär mir, weshalb sie dich geschickt hat.«
    »Das weiß ich nicht. Sie hat mich einfach gebeten, Ihnen diesen Brief zu überbringen.«
    »Und woher wusstest du, wo du mich findest?«
    »Sie hat mir den Namen des Hotels genannt. Als ich hier ankam, habe ich Sie in die Kneipe gehen sehen, und eigentlich wollte ich da schon mit Ihnen sprechen, aber Sie haben mich ja vergrault.«
    »Vergrault habe ich dich! Ach Gottchen, du Armer!«
    »Spotten Sie ruhig! Ich habe mich geschämt, weil ich es vermasselt habe. Weil ich es nicht auf die Reihe gekriegt habe, mit Ihnen zu sprechen, und dabei war es Galina sehr wichtig.«
    Es kommt mir vor, als würde das Öllämpchen in noch dunklerem Rot leuchten.
    »Diese Galina«, hake ich nach, ist sie …« Ja, was ist sie: seine Mutter, seine Gönnerin, seine Geliebte?
    »Sie ist meine Freundin«, kommt mir der schöne Jüngling zu Hilfe. »Es ging ihr in letzter Zeit nicht gut, aber sie wollte nicht sagen, was los ist. Als sie mich dann bat, das mit dem Brief zu erledigen, habe ich natürlich nicht Nein gesagt.«
    »Warum nicht?«, frage ich. »Du konntest doch gar nicht wissen, in was sie dich da womöglich reinzieht.«
    Ich ernte einen konsternierten Blick. »Galina ist der beste Freund, den ich habe. Für sie würde ich alles tun!«
    Schön gesagt. Fast bin ich ein wenig neidisch auf die Kaulquappe . Diese Frau hat es erfolgreich verstanden, ihre guten Seiten vor mir zu verbergen, aber offenbar hat sie welche.
    Als eine Tankstelle in Sicht kommt, biege ich ab. Ich fahre bis zum Luftdruckmessgerät vor, wende mich meinem Fahrgast zu und strecke die Hand aus. Er reicht mir den Brief.

    Sehr geehrte Frau Schiller,

    wir hatten ausgemacht, dass ich mich bei Ihnen melde, wenn es nötig werden sollte. Dieser Fall ist nun eingetreten. Ich muss Sie dringend sprechen!
    Ihren derzeitigen Aufenthaltsort habe ich durch meinen Mann erfahren. (Seien Sie beruhigt, er weiß nichts davon!) Ich weiß, dass Sie keine Schuld trifft und habe wichtige Informationen für Sie. Ich werde Ihnen alles erklären!
    Treffpunkt heute Abend 20 Uhr auf dem Parkplatz der Grube Silberhardt in Windeck-Kohlberg. Bitte kommen Sie! Es geht auch um Ihre Sicherheit!

    Ihre Galina Waskovic

    PS: Mein Bote ist vertrauenswürdig.

    Keine Frage: Diese Nachricht hat die Kaulquappe verfasst, ich erkenne sofort die geschwungene, fast kalligrafisch anmutende Handschrift wieder, mit der sie damals den Fragebogen über ihren Gatten ausgefüllt hat. ›Was für eine schöne Schrift!‹, habe ich sie gelobt, nicht zuletzt, um Schönwetter zu machen und sie ein bisschen aufzutauen. › Das ist heutzutage selten.‹ Sie wird sich an meine Worte erinnert haben – vielleicht deshalb die Idee mit dem handschriftlichen Brief.
    Die Kaulquappe! Ich hätte nicht gedacht, jemals wieder von ihr zu hören. Falsch gedacht. Und noch in einem weiteren Punkt habe ich mich offenbar geirrt: Entgegen meiner Annahme weiß offenbar alle Welt, wo ich stecke. So viel zu meinen grandiosen Täuschungsmanövern.

    »Kannst du Öl nachfüllen?«, frage ich meinen jungen Begleiter.
    »Weiß nicht«, meint er. »Ich habe keinen Führerschein.«
    Herrgott! Wofür ist dieser Kerl eigentlich zu gebrauchen? Vorsichtshalber ziehe ich den Schlüssel ab, als ich aussteige, um im Tankstellenshop Öl zu besorgen. Hoffentlich ist mein Fahrgast verschwunden, wenn ich zurück bin. Seinen Job hat er ja jetzt erfüllt.
    Trotzdem denkt er offenbar gar nicht daran. Als ich zurückkehre, hockt er seelenruhig in meinem Wagen und kaut Fingernägel; während ich das Öl einfülle, tippt er auf seinem iPhone herum.
    Ich schließe die Motorhaube, reinige meine Hände mit einem Papiertuch und steige wieder in den Wagen. Mein junger Freund tippt noch immer. Aber halt!, das ist nicht sein iPhone – es ist mein Notfallhandy.
    »Hey, was machst du da?!«

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