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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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Hinterausgang?«, frage ich den freundlichen Herrn von der Rezeption.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragt er besorgt zurück.
    »Doch, doch, alles bestens. Ich würde diesem jungen Mann nur ungern begegnen.«
    Meine Auskunft scheint den Portier zwar nicht zu beruhigen, doch er hat Verständnis für mein Anliegen, und nachdem ich die Rechnung beglichen habe, führt er mich durch die Küche nach draußen.

    On the road again. Jetzt heißt es, Freudenberg so schnell wie möglich zu verlassen, bevor der Zimmerservice die Behrendt entdeckt, bevor sie möglicherweise auspackt, bevor die Jagd auf Gabriele Kronenberg eröffnet wird.
    Das Problem ist nur, dass ich es in diesen Schuhen keine hundert Meter weit schaffe. Hier muss Abhilfe her, und zwar pronto. Habe ich gestern Nacht nicht in der Nähe ein Schuhgeschäft gesehen? Diesen abgefahrenen Laden, in dessen Schaufenster neben Schuhen Imkerhonig aus der heimischen Region angepriesen wurde? Es ist doch so: Welcher angebliche Freund auch immer im Flecker Kaffeehaus auf mich warten mag, noch wartet er ja, ein gewisses Zeitfenster bleibt mir demnach. Entschlossen stöckele ich los.
    Im Laden bin ich die einzige Kundin.
    »Es soll wohl etwas Elegantes sein?«, fragt mich die Verkäuferin mit einem dezenten Blick auf mein Outfit.
    »Bloß nicht!«, kreische ich fast. »In diesen Schuhen schaffe ich keine zehn Schritte mehr.« Ich rolle verzweifelt die Augen, und sie lächelt verständnisvoll.
    »Welche Größe?«
    »37.«
    Nach einem schnellen Check ihres Warenangebots greift sie nach einem Paar schwarzer Boots, das ich ihr fast aus der Hand reiße. Ich schleudere die Pumps von meinen Füßen, fast, wie Vanessa es getan hat, schlüpfe in die schwarzen Treter und erkläre der verdutzten Verkäuferin, ich würde sie gleich anbehalten. Das Schuhproblem ist gelöst. Bleiben die 99 anderen.

    Gerade bin ich in mein kekskrümelpaniertes Mutter-Kind-Fluchtfahrzeug gestiegen, um Freudenberg endgültig den Rücken zu kehren, als jemand an mein Seitenfenster klopft und mir einen mordsmäßigen Schrecken einjagt. Es ist der seltsame Jüngling aus der Weinstube.
    Ich kurble die Scheibe ein winziges Stück herunter und frage: »Was willst du?«
    »Mit Ihnen reden.«
    »Kein Interesse.« Ich drehe den Zündschlüssel um, lege den Rückwärtsgang ein und trete aufs Gaspedal. Um ein Haar hätte ich ihn auf die Schippe genommen, weil er direkt hinter meinen Wagen gesprungen ist. Resigniert gebe ich auf. Ich öffne die Beifahrertür, und er lässt sich neben mich auf den Sitz fallen.
    »Also, was ist?«, frage ich.
    »Ich will mit Ihnen reden, das sagte ich doch schon.«
    »Und ich sagte schon, dass ich kein Interesse habe.«
    Er zögert. »Ich habe gesehen, wie Sie dem Typen in der Kneipe das Portemonnaie geklaut haben«, sagt er schließlich, zückt sein iPhone und hält es mir unter die Nase. Tatsächlich, das bin ich – und die Bilderfolge zeigt deutlich, wie ich meine Hand in eine fremde Jacke stecke.
    »Ich könnte Sie anzeigen«, meint der Junge lustlos.
    »Dann tu’s doch!«, fordere ich ihn mit gespielter Gleichgültigkeit auf. »Geld habe ich sowieso keins, falls du darauf aus bist.«
    »Ich will Ihr Geld nicht.«
    »Was dann? Schieß los, ich hab’s nämlich eilig.«
    »Wohin wollen Sie?«
    Ich hole tief Luft. »Glaubst du wirklich, ich würde dir das auf die Nase binden?«
    »Ich meine ja nur, dass wir nicht hier stehen bleiben müssen«, rechtfertigt er sich. »Ich will hier weg, Sie wollen weg, da können Sie mich doch ein Stück mitnehmen. Wohin, ist mir egal.«
    Ich wende mich ihm zu und betrachte sein Profil. Das Leben ist unfair. Wieso kommt ein Junge mit derart langen Wimpern zur Welt? Also schön, vielleicht hat er recht. Wir können genauso gut während der Fahrt reden.
    »Versuche nicht, mich reinzulegen, ich habe einen Taser in der Manteltasche!«, warne ich ihn. Von der Waffe, die ich Vanessa abgenommen habe, will ich vorerst gar nicht reden.
    »Einen Taser?« Er zieht verwundert die Augenbrauen hoch. »Nie gehört – was ist das?«
    Will er mich auf den Arm nehmen? »Fühlt sich ungefähr an, als würde ich dir ein blankes Stromkabel ins Nasenloch halten«, kläre ich ihn auf.
    Er zieht scharf den Atem ein und macht ein beleidigtes Gesicht. »Hey, ich sagte doch, ich bin harmlos!«
    Und ich bin fast geneigt, ihm zu glauben.
    »Ich soll Ihnen eine Nachricht von Galina zukommen lassen«, meint er an der nächsten Ampel, deren leuchtendes Rot wunderbar mit dem des

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