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Wilhelm II

Wilhelm II

Titel: Wilhelm II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Christopher
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frei zu machen, die einen hochqualifizierten Unterricht in einer Palette naturwissenschaftlicher Fächer anboten. 29 Die wohl wichtigste Überlegung Wilhelms zur damaligen Zeit galt der Frage, auf welche Resonanz die Konferenz in der Öffentlichkeit stieß. Der badische Gesandte in Berlin berichtete, dass die Initiative des Kaisers im Bildungsapparat »mehr Kritik und Kopfschütteln als Anerkennung« geerntet habe, »dafür aber Jubel und Begeisterung in breiten Massen des Volkes«. 30 Wilhelm spielte auf diese positive Reaktion an, wenn er in seiner Schlussrede der Konferenz davon sprach, dass seine Vorfahren bewiesen hätten, »dass sie, den Puls der Zeit fühlend, vorausspähten, was da kommen würde«: »Ich glaube erkannt zu haben, wohin der
neue Geist, und wohin das zu Ende gehende Jahrhundert zielen, und ich bin entschlossen, sowie [sic!] ich es beim Anfassen der sozialen Reform gewesen bin, so auch hier in bezug auf die Heranbildung unseres jungen Geschlechts die neuen Bahnen zu beschreiten, die wir unbedingt beschreiten müssen [...]« 31 Bei allem Pathos zeigte sich in diesen Worten die Zuversicht Wilhelms, dass es »da draußen« einen Konsens gab, der von einem modernen Monarchen mit einem offenen Ohr abgerufen werden konnte.

Die konfessionelle Kluft
    So weit, so gut; es sollte jedoch nicht lange dauern, bis der Ausbruch einer öffentlichen Auseinandersetzung über die Schulpolitik offenbarte, welche Fallstricke einen Monarchen erwarteten, der entschlossen war, zu den großen Themen der Zeit Stellung zu beziehen. Die Frage, welche Rolle die Religion in der Bildung, und insbesondere die Kirche bei der Verwaltung von Schulen spielen sollte, war in allen Staatswesen im Europa des 19. Jahrhunderts außerordentlich umstritten. Besonders komplex und heikel wurde das Thema in Deutschland durch die Tatsache, dass quer durch das politische Spektrum (von den Sozialdemokraten über Links- und Rechtsliberale bis zu den Konservativen) die konfessionelle Trennlinie zwischen Protestanten und Katholiken verlief. Als Partei der katholischen Arbeiter, Bauern, Handwerker und Stadtbewohner war die Zentrumspartei in sozialer Hinsicht heterogen. Folglich waren die Parteimitglieder in sozialen und wirtschaftlichen Fragen häufig gespalten, rein konfessionelle Themen stärkten allerdings tendenziell die Geschlossenheit des Zentrums; deshalb spielten diese auch bei der politischen Linie der Parteiführung eine wichtige Rolle. Zu den umstrittensten Punkten der Religionspolitik zählte die Forderung des Zentrums nach einer verstärkten, klerikalen Beteiligung und Aufsicht im Schulwesen.

    War für das Zentrum Platz in der »Mitte« der deutschen Politik? Für den Kreis aus Beratern und hohen Beamten um Wilhelm kamen Zugeständnisse an das Zentrum in kulturell-konfessionellen Fragen einem Verrat am »nationalen« Interesse gleich. Eine Politik der »Unparteilichkeit« bestehe darin, erklärte Philipp Eulenburg Wilhelm, dass sie die Unterstützung der (weitgehend protestantischen) Nationalliberalen und Konservativen habe. 32 Es sei entscheidend, an der Seite der »Mittelparteien« zu bleiben, teilte er Friedrich von Holstein mit; und wenn man schon Zugeständnisse machen müsse, so solle man sie eher den oppositionellen, aber protestantischen Linksliberalen als der »römischen« Seite machen. 33 Wilhelm neigte zur selben Ansicht; auch wenn er durch symbolische Gesten wie wiederholte Treffen mit dem Papst unbedingt die Sympathie der deutschen Katholiken gewinnen wollte, traute er dem Zentrum nicht über den Weg und blieb überzeugt, dass eine handlungsfähige Regierung »unabhängig« vom Einfluss des Zentrums bleiben müsse. 34 Allerdings konnte es sich keine Regierung, die den Auftrag hatte, Gesetzesvorlagen durch den Reichstag zu bringen, leisten, sich so dogmatisch zu verhalten. Wie Kanzler Caprivi Eulenburg erklärte:
     
    Ziehen wir die Parteienverhältnisse im Reichstag in Betracht, vergegenwärtigen wir uns, dass Deutschkonservative, Reichspartei und Nationalliberale zusammen für die notwendige Mehrheit von 199 Stimmen nur 132 Vertreter stellen können, so folgt, dass für wichtige Aufgaben, welche uns voraussichtlich im nächsten Jahr beschäftigen werden und für welche die weiter nach links stehenden Parteien kaum zu haben sein würden, die Mitwirkung des Zentrums mit seinen über 100 Stimmen nicht zu entbehren ist. 35
     
    Mit den »wichtigen Aufgaben« meinte Caprivi vor allem eine Gesetzesvorlage zur Anhebung der

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