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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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darlegt, aber auch davon, dass die deutsche Führung »am liebsten den Konflikt auf den Balkan beschränkt hätte, selbst wenn sie dadurch ihre Bereitschaft aufs Spiel setzte, falls die Eingrenzung scheitern sollte«. 75
    In den ersten Juliwochen war Wilhelm allem Anschein nach noch zuversichtlich, dass der Konflikt lokal begrenzt werden konnte. Am Morgen des 6. Juli sagte er zu dem geschäftsführenden Staatssekretär für die Marine Admiral Eduard von Capelle, »er glaube nicht an größere kriegerische Verwicklungen. Der Zar werde sich in diesem Falle nach seiner Ansicht nicht auf die Seite der Prinzenmörder stellen. Außerdem seien Russland und Frankreich nicht kriegsbereit.« Andere hohe Militärs instruierte er ganz ähnlich. 76 Damit wollte er keineswegs nur den starken Mann markieren: Wilhelm war schon seit langem der Meinung, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis die Russen in der Lage wären, einen Militärschlag zu riskieren, auch wenn sie ihre militärischen Vorbereitungen inzwischen intensiviert hatten. So hatte er bereits Ende Oktober 1913, im Zuge der Albanienkrise, Szögyényi gesagt, dass Russland ihm im Augenblick keinen Anlass zur Besorgnis gebe; »für die nächsten sechs Jahren könne man von der Seite sicher sein«. 77
    Diese Anschauung gab den Tenor des deutschen Generalstabs und anderer Berichte wieder, die ernüchternde Prognosen für das Wachstum der russischen Truppenstärke, Feuerkraft und die Steigerung des Mobilisierungstempos bis 1917 oder später machten, aber so gut wie einhellig eine Gefahr von Russland in absehbarer Zeit ausschlossen. Berichte, die von unabhängigen Quellen im März 1913 und Januar 1914 an Wilhelm und seinen Stab weitergeleitet wurden, bestätigten ebenfalls, dass Zar Nikolaus förmlich jede russische Beteiligung an einem militärischen Konflikt in den kommenden fünf bis sechs Jahren ausgeschlossen hatte. Diese Ansicht vertraten Wilhelm und die militärische Elite auch noch in den ersten Juliwochen 1914. 78 Als die Möglichkeit einer Aktion gegen Serbien zum ersten Mal zur Sprache gebracht worden war, äußerte Botschafter Tschirschky in Wien größere Bedenken wegen einer Intervention Italiens oder Rumäniens als wegen der Reaktion aus St. Petersburg. 79 Da Wilhelm keine »ernsten Komplikationen« befürchtete und am liebsten seinen geplanten Nordseetörn vor Skandinavien antreten wollte, fiel es Bethmann Hollweg nicht schwer, ihn zur Abreise aus Berlin zu überreden. Er verließ am 6. Juli deutschen Boden, in Begleitung der Nordseeflotte, die an der norwegischen Küste Manöverübungen durchführen wollte. Später sollte er Bethmann Hollweg vorwerfen, dass er ihn in der entscheidenden Phase der Krise von Berlin fern gehalten habe. 80
    Nach einigen angenehmen Tagen auf der alljährlichen Kieler Regatta, wo der Kaiser so manche gesellige Stunde mit Offizieren der Royal Navy verbrachte, segelte Wilhelm zu der norwegischen Küstenstadt Balholm weiter, wo er bis zum 25. Juli vor Anker blieb. Von hier aus schickte er am 14. Juli eine erste persönliche Antwort auf Franz Josephs Schreiben vom 2. Juli. Der Brief, der sich möglicherweise an einem vom Auswärtigen Amt vorgelegten Entwurf orientierte, wiederholte die frühere Beistandserklärung und schimpfte über die »wahnwitzigen Fanatiker«, deren »panslawistische Hetzarbeit« den »staatlichen Bau« der Doppelmonarchie bedrohe, erwähnte aber mit keinem Wort einen Krieg. Wilhelm erklärte: »Ich muss davon absehen, zu der zwischen Deiner Regierung und Serbien schwebenden Frage Stellung zu nehmen.« Allerdings betrachte er es als eine »moralische Pflicht aller Kulturstaaten«, der antimonarchistischen »Propaganda der Tat mit allen Machtmitteln entgegenzutreten«. Der Rest des Briefes verwies jedoch ausschließlich auf diplomatische Initiativen in der Balkanregion, um das Entstehen eines antiösterreichischen »Balkanbundes unter russischer Patronanz« zu verhindern. Der Brief schloss mit den besten Wünschen zur raschen Erholung von dem Trauerfall. 81
    Aus Wilhelms Kommentaren auf staatlichen Dokumenten, die ihn auf der Jacht erreichten, geht hervor, dass er genau wie viele führenden Politiker und Militärs ungeduldig auf eine Entscheidung aus Wien wartete. 82 Seine Hauptsorge war anscheinend, dass die Gunst der weltweiten Empörung über das Attentat verspielt würde, wenn man zu viel Zeit vertändelte, oder dass die Österreicher völlig den Mut verlieren würden. Die Österreicher ließen sich freilich

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